Samstag, 23. Juni 2012

Personenkult

Personenkult
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Personenkult bezeichnet die übergebührliche Verehrung und Glorifizierung einer in der Regel noch lebenden Person, die eine Vorbildfunktion einnimmt. Er tritt in allen gesellschaftlichen Bereichen auf, sehr häufig in Politik, Unterhaltungsindustrie, Sport und Kultur. In seiner modernen Ausprägung gleicht er häufiger dem Starkult, mit dem wesentlichen Unterschied allerdings, dass an einen Star oder an einen Prominenten geringere moralische Ansprüchen gestellt werden. Vom Personenkult zu unterscheiden sind die klassische Heiligen-, Toten- und Heldenverehrung.

Da im Personenkult (vor allem in der Geschichte seit den Pharaonen bis zur Säkularisierung) oft ein politischer Herrscher glorifiziert wird, der seine Herrschaft häufig aus der Nähe zum Göttlichen (Gottesgnadentum) begründet, zeigt sich der Personenkult phänomenologisch in quasireligiösen Ritualen; gelegentlich ersetzt die Verehrung gar die Religion wie beim „Hitlerkult“.

Der Personenkult leitet sich meistens aus den spezifischen Eigenschaften einer konkreten Person ab; er kann aber auch aus dem Innehaben eines Amtes resultieren wie beispielsweise beim Papst, bei Kaisern oder in der Gegenwart bei der englischen Königin. Entscheidend ist, dass eine Charismatisierung stattfindet. Max Weber unterscheidet vom persönlichen Charisma das Amtscharisma und das Erbcharisma.

Da sich der Personenkult propagandistisch instrumentalisieren lässt, ist er häufig ein Merkmal vieler Diktaturen.

Ausgeprägten Personenkult gab es zum Beispiel um Josef Stalin im Stalinismus, um Benito Mussolini im Faschismus, um Adolf Hitler im Nationalsozialismus ("Führerkult"), um Mao Zedong (China) und um Nicolae Ceaușescu (Rumänien). In Nordkorea gibt es einen dynastischen Personenkult, also Erbcharisma.

Begriff
Geprägt wurde der Begriff historisch durch den sowjetischen Politiker Chruschtschow im Jahre 1956 durch seine Rede auf dem 20. Parteitag der KPdSU, in der er den Personenkult um Josef Stalin und den Stalinismus verurteilte. Dazu berief sich Chruschtschow auch auf Schriften von Karl Marx, welcher bereits Tendenzen zum Personenkult in Gesellschaften kritisierte. Chruschtschow erklärte in seiner Rede hierzu:

„Wir haben uns mit der jetzt und zukünftig für die Partei überaus wichtigen Frage zu befassen, wie der Kult mit der Person Stalins sich allmählich entfalten konnte, dieser Kult, der in einer ganz bestimmten, konkreten Phase zur Quelle einer Reihe außerordentlich ernster und schwerwiegender Verfälschungen der Parteigrundsätze, der innerparteilichen Demokratie und der revolutionären Gesetzlichkeit wurde.“

Der Begriff wird zumeist pejorativ verwendet. Der französische Philosoph Alain Badiou (*1937) sieht dagegen eine positive Funktion des Personenkults. Da revolutionäre Bewegungen stets von Minderheiten getragen würden, könne er fruchtbar für die Aktionen dieser Minoritäten sein. Dementsprechend kritisch fällt sein Urteil über den 20. Parteitag der KPdSU aus:

 „Die Verurteilung des Personenkults Stalins durch Chruschtschow war unangebracht und annoncierte, unter dem Deckmantel der Demokratie, den Niedergang der Idee des Kommunismus.“

Merkmale
Merkmale von Personenkult können sein:

übertrieben devote Haltung aller öffentlich auftretenden Personen zum Führer
unkritische Rezeption aller Äußerungen der gehuldigten Person in der Öffentlichkeit
Verfolgung kritischer Haltungen gegenüber der gehuldigten Person, teilweise mit Gefahr für Leben und Gesundheit des Kritikers, Verhaftung oder Verschwindenlassen von Regimekritikern
übertriebene Präsenz von Bildnissen und Losungen (Huldigungen an diese Person oder Aussprüche derselben), zum Beispiel in Privathäusern, Schulen oder Betrieben, sowie in sämtlichen Medien
Benennung von Betrieben, öffentlichen Gebäuden, Schulen, Bibliotheken, Straßen, Plätzen, Sportstätten, Städten nach dem Führer (zum Beispiel Stalinstadt)
Herstellung von (bei kritischer Betrachtung oft absurden) Zusammenhängen zwischen der Person des Führers und sämtlichen Lebensbereichen.

Nach Ende der Herrschaft des Diktators setzt in der Regel eine Umkehrung ein: Umbenennungen werden rückgängig gemacht, öffentliche Bildnisse entfernt, mit dem Personenkult verbundene Schriften und Kunstwerke aus dem öffentlichen Raum (Büchereien, Galerien) entfernt. Siehe auch als Beispiel: Entstalinisierung.

Sozialismus
Vom Ende des Stalinismus unbeeindruckt, hielt sich die kultische Verehrung des Staats- und Parteichefs in der Volksrepublik China unter Mao Zedong bis zu seinem Tod 1976.

Nordkorea das weltweit letzte verbliebene "sozialistische Land", in dem sich dieses Phänomen beobachten lässt: Der bis heute (2011) anhaltende Personenkult um Kim Il-Sung wurde auf dessen Sohn Kim Jong-Il bzw. seit 2010 auf Kim Jong-un erweitert.
Nach dem Vorbild der Verherrlichung Stalins, die in der Sowjetunion und im gesamten frühen Ostblock obligatorisch war, kennzeichnete ein ausgeprägter Personenkult zeitweilig auch andere realsozialistische Diktaturen des „sozialistischen Weltsystems“. Beispiele:

Klement Gottwald in der Tschechoslowakei,
Bolesław Bierut in Polen,
Walter Ulbricht in der DDR,
Mátyás Rákosi in Ungarn,
Gheorghe Gheorghiu-Dej in Rumanien und
Chorloogiin Tschoibalsan in der Mongolischen Volksrepublik.

Nach dem Tod Stalins 1953 rückte man in der Tauwetterperiode offiziell von übertriebenen Formen des Personenkults ab. Er lebte in der Sowjetunion um Leonid Breschnew wieder etwas auf, auch in der Ära Erich Honeckers fand man einen abgeschwächten Personenkult.

In Albanien und Rumänien betrieb man um Enver Hoxha bzw. Nicolae Ceaușescu bis in die 1980er Jahre hinein einen extremen Personenkult.

In Jugoslawien wurde Marschall Josip Broz Tito als Held gefeiert, wobei auch kleinere Schönungen in seiner Biographie vorgenommen wurden. Eine besondere Rolle spielte dabei der 25. Mai, an dem er 1944 dem Zugriff deutscher Fallschirmjäger knapp entkommen war. Dieser Tag wurde im Titoismus als der angebliche Geburtstag des Marschalls, als ein Siegestag der Partisanen und als Tag der Jugend in hochritualisierter Form begangen.

In Vietnam entstand eine (andere) Art des Personenkultes um Ho Chi Minh.

In Kuba wird um den Revolutionär und Gründer des sozialistischen Staates Fidel Castro ein Personenkult betrieben, so sieht man sein Bildnis und einige seiner politischen Grundsätze meist in Verbindung mit Ernesto Che Guevara bzw. José Martí an vielen Häuserfassaden und Plakatwänden.

Nordkorea

In Nordkorea entwickelte sich seit Beginn der 1960er Jahre ein Personenkult um den Gründer des Staates und „Ewigen Präsidenten“ Kim Il Sung. Seine Schriften, die in 79 Bänden gesammelt sind, genießen eine religionsähnliche Verehrung. Sie müssen an Schulen und Universitäten studiert und Teile davon auswendig gelernt werden. Auch Statuen und Gedenkmonumente wurden im ganzen Land aufgestellt, die den 'Ewigen Präsidenten' verherrlichen.
Nach dem Tode Kims 1994 wurde der Personenkult auf seinen Sohn Kim Jong Il übertragen, dem der Titel „Geliebter Führer“ verliehen wurde, in Anlehnung an seinem Vater, der mit „Großer Führer“ angesprochen wurde. Erstmals in der Geschichte des Marxismus-Leninismus wurde so eine Dynastie geschaffen. Im Juni 2009 berichteten verschiedene Medien von Gerüchten, denen zufolge Kim Jong-un, ein bis dahin kaum bekannter Sohn des erkrankten Kim Jong Il, wiederum als dessen Nachfolger aufgebaut werde. Im August 2010 berichtete Südkorea, Nordkorea beginne einen Personenkult um Kim Jong-un: erstmalig würden Plakate und Abzeichen mit seinem Konterfei hergestellt.