Mythos
Antiimperialismus
Jahrelang wurde in den westlichen Metropolen durch
Demos und Aktionen der Kampf des Vietcong unterstützt. Und heute? Heute ist
Vietnam selbst eine imperialistische Macht. Haben wir das gewollt? Viele von
uns engagierten sich gegen den Schah. Gut so. Jetzt haben die Iraner Chomeini.
Haben wir das gewollt? Vollautonom Nr. 2 1980
.....wenn die Leute die sich immer auf das Konzept
Stadtguerilla berufen, ihre eigenen Ahnherren mal etwas genauer unter die Lupe
nehmen würden, würden sie auch mal feststellen, daß es bestimmte gesellschaftliche
Bedingungen (Vietnam, Ende der Studentenbewegung, Aufkommen der MLer ) waren
die dem bewaffneten Kampf ihren Zusammenhang gaben. Nur Vietnam ist vorbei, im
wahrsten Sinne des Wortes, es hat mit seinen "Sieg" viele enttäuscht,
das einstmals revolutionäre Volk von Vietnam ist längst zum regionalen
Imperialisten geworden. Die ML-Bewegung, in deren theoretischen Konzept auch
die RAF stand ist längst den Bach runter gegangen. Begriffe wie „dem Volke
dienen," „Avantgarde" und was
dahinter steckt, gehören lange nicht mehr zu unserer Auseinandersetzung mit
Gesellschaft. Und genau da muß die Kritik an der RAF ansetzen, sie ist seit
Jahren nicht mehr in der Lage Prozeße und Auseinandersetzungen innerhalb der
Linken wahrzunehmen und das ist nicht nur eine Frage der Kommunikation, sondern
eines Politikverständnisses, das in der Linken längst keine Basis mehr hat.
Vollautonom Nr. 5 1981
Immer Ärger mit der Menschheit.
Schaut man sich die Auseinandersetzungen im Netz an,
besonders auf Indymedia, das ein Spiegelbild der Linken zu sein scheint, dann
überlegt man grad, ob die Zeitmaschine eigentlich noch TÜV hat. Man fühlt sich
in fernen Zeiten zurückversetzt und fragt sich wer die auf die Menschheit
losgelassen hat. Meist entzünden sich diese Auseinandersetzungen an
Israel/Palästina und da kommt ein Politikverständnis zum Vorschein, das
offenbar alle Erfahrungen der letzten zwanzig Jahre schadlos überstanden hat.
Wo soll man anfangen? Mit Vietnam? Die meisten der heutigen Wiedergänger waren
damals noch nicht auf der Welt, aber mit Vietnam und der Studentenbewegung
entdeckte man die dritte Welt und kein Ort war weit genug um nicht Anlass für
ne Demo oder ein Unterstützerkomitee zu werden. Immerhin bewegte sich da was
und offenbar gab s sogar Erfolge, im Gegensatz zu den versteinerten
Verhältnissen hier.
Was gut gemeint anfing, wurde schnell zu einer
Projektion der eigenen Machtlosigkeit auf Indochina, Zimbabwe, Angola oder was
noch alles. Der Imperialismus ist böse, die kämpfenden Völker sind gut. Schon
damals wurde über etliches hinweggesehen oder es wurde entschuldigt. Zur
Grundausstattung des Antiimperialisten zählte, die Namenskürzel aller
Befreiungsbewegungen auswendig herunterbeten zu können. Es reichte, die
Bruderparteien zu kennen und ihnen Solidaritätsgrüße in der eigenen Presse zu
widmen. Wie es da wirklich aussah, welchen kulturellen Hintergrund es gab,
darüber wußte man wenig, war auch nicht so wichtig.
Es zählte auf der richtigen Seite zu stehen und bei
der Demo die richtigen Losungen auf dem Transpi zu tragen. Nicht das drüber
zuwenig geschrieben wurde, fette Artikel und Bücher wurden verfasst, aber die
Bleiwüsten blieben eben das was sie waren, Bleiwüsten.
Das Bild das man sich von der dritten Welt machte,
war eher durch Wunschdenken bestimmt als durch eigene Erfahrung. Es kam also
wie es kommen mußte, die lokalen Organisationen waren nicht geneigt, einmal an
die Macht gekommen, linke Vorstellungen der (damals) langhaarigen
Berufsdemonstranten zu erfüllen. Dabei gab s Verbindungen. Nicht wenige aus der
dritten Welt hatten ja hier studiert, waren mit der Studentenbewegung in
Kontakt gekommen. Wieder in der Heimat angekommen, sahen sie sich schnell mit
anderen Problemen konfrontiert als der richtigen Linie der Metropolenlinken zu
folgen. Andere wiederum, in Indochina etwa, betrachteten die Linke im Westen
eher funktional und ließen sich z. B. in Kambodscha frisch an die Macht
gekommen, weder von der Totalräumung der Hauptstadt noch beim Morden der
eigenen Bevölkerung stören. Die Linke tat ihnen den Gefallen und störte nicht
weiter, sie weigerte sich lange das überhaupt zu glauben.
Oder Die Iransolidarität, lange ein wichtiger Teil
antiimperialistischer Solidarität. Im Studentenwohnheim gab s ne Menge Iraner
und hier lernte man auch unterschiedliche Leute kennen und merkte, die kommen
aus einer anderen Welt, auch wenn es sich nicht um Bauern aus n abgelegenen
Dorf handelt. An einem Vorfall lässt sich das verdeutlichen. Einer hämmert an
die Tür seiner Exfreundin weil er glaubt, da wär n Typ drin. Die denkt nicht dran
aufzumachen und was macht der gute Mensch? Er versucht über ein Nebenzimmer
durchs Fenster bei ihr einzusteigen und das im zehnten Stockwerk. Nicht ganz so
trittfest gab s n Freiflug und mit einem weit hörbaren Aufklatscher endet diese
Story. Tia, hier war das keine CISNU, keine FNL, MPLA oder FRAP, hier hattest
es mit realen Menschen zu tun.
Vietnam war der Kern der 68ziger Bewegung und aus
dieser Zeit kommt die Ablehnung der USA.
War früher die USA noch Vorbild, das Gegenstück zum
versteinerten Adenauerdeutschland mit seinen Altnazis, so änderte sich das mit
der Vietnambewegung. Auf einmal galten die Amis als Imperialisten und "Ami
go home" wurd an die Wände gepinselt. Andererseits wurde voll die Kultur
der Amis übernommen, sehr zum Mißfallen des ordentlichen Deutschlands.
Negermusik hieß das und ein Schreiber machte draus einen Buchtitel, die Kinder
von Marx und Coca Cola.
Mit den ML Sekten wurde dieser Antiimperialismus als
Ideologie institutionalisiert und auch das Verhältnis zu Israel änderte sich. Im
6 Tagekrieg stand die Linke auf Seiten Israels, heute schwer vorstellbar. Nach
der Besetzung der Westbank und des Gazastreifens und dem Aufkommen der
(zumindest propagandistisch linken) PLO wurde Israel zur imperialistischen
Macht und zu einem Hassobjekt der Linken. Bestätigend wirkte auch, daß Israel
sich mit reaktionären Regime zusammentat, halt die Theorie von den Tabustaaten
die zusammenhalten müssen. Scheinbar konnte man sich keinen größeren Gegensatz
als Israel und das rassistische Südafrika vorstellen, doch die Zusammenarbeit
klappte bestens. Im Jom Kipurkrieg kam es in Frankfurt tatsächlich zu einer
Demo gegen Israel, allerdings beteiligten sich keine 200 daran, der Presse war
es nur eine kleine Meldung wert. Offenbar wollte der Durchschnittslinke doch
nicht soweit gehen und für arabische Staaten zu demonstrieren, zumal Jordanien
vor kurzem noch gut mit "seinen" palästinensischen "Gästen"
aufgeräumt hatte. Daher der Name Schwarzer September. Jordanien wollte sich
nicht wie Israel der unmenschlichen Vertreibung schuldig machen, sie drehten
ihnen gleich den Hals um.
Antiimperialismus hieß für die Parteilinke auch sich
nach wahlweise Moskau oder Peking zu verneigen und deren Staatspolitik zu
vertreten. Im Falle Chinas bedeutete das, den Befreiungsbewegungen die
Gefolgschaft zu kündigen, die von der KP Chinas grad fallengelassen wurden
wegen zu großer Moskaunähe. Für die Maofans erledigte sich um 80 das Problem
als sich die Sekten auflösten oder verschwanden.
Die Moskaufans hielten s länger aus, erst 89 brach
denen die Welt auseinander und die Mauerbrocken fielen ihnen auf den Kopp,
gelegentlich fragte man sich was da so hohl geklungen hatte. Mit der AKW
Bewegung und besonders 80 als die Autonomen auftauchten, gab s kurz Hoffnung.
Es ging drum sich um seine eigene Welt zu kümmern und zu sehen, was man hier in
Bewegung setzen kann. Keinen Bock mehr, sich als Teil eines weltweiten Kampfes
zu sehen und sich für irgendwas einspannen zu lassen, wir sind hier und nicht
irgendwo im Busch, haben uns grad mit den Bullen gefetzt, wieder ein Haus
geräumt, einige Scheiben zu Bruch gegangen.
Nichts Ernsthaftes also, aber wir waren dran
beteiligt, weil wir Bock drauf hatten und uns nicht hinter kämpfenden Völkern
verstecken wollten. Auf das was irgendwo abgeht haben wir eh keinen Einfluß,
zumal viele erstmal im Atlas nachsehen müßten wo das ist.
Umso besser kennen wir uns in Frankfurt, Berlin und
Freiburg aus und die Besetzungen hatten ja was damit zu tun, das wir in unseren
Bereich was bewegen wollten statt wieder ne folgenlose Demo für eine Gegend zu
machen, wo du nicht mal mit Interrail hinkommst. Klar geht in der Welt wieder
einiges ab, aber wir sind in Deutschland, also was hat das mit uns zu tun?
Zumal Antiimperialismus im Alltag nicht mehr ist,
als die richtigen Flugis zu lesen, sich die entsprechenden Texte reinzupfeifen
und auf die nächste Demo zu warten. Mehr kannst ja eh nicht machen und genau
daraus entstand für einige Überempfindliche ein derartiger Leidensdruck, daß
sie dem mit Bombenbasteln abhelfen wollten. Um sich nicht dem Vorwurf
auszusetzen, ihr demonstriert ja nur, ihr tut ja nichts? Nun einige haben was
getan und dafür bezahlt. Zu Heilige sind sie nicht geworden, die Welt scheißt
drauf. Besonders diejenigen, die nicht mal das gemacht haben. Die brav studiert
und Karriere gemacht haben, von denen redet niemand, aber wir sollen uns für
jeden Pforz rechtfertigen?
Als vielen die stalinistische PKK schon sehr seltsam
vorkam, hatten einige nix besseres zu tun als da mitzuspielen. Wie das endete
ist bekannt. Interessiert heut keine Sau mehr.
In dieser Zeit, also um 80 gab s wieder mal n
Hungerstreik der RAF und den zu unterstützen war ja ok. Nur deren Ideologie die
uns einige im Doppelpack gleich mitlieferten war doch zuviel des Guten. Es kam
zu heftigen Streit und in der Folge spaltete sich die Bewegung. Die Antiimps
entstanden aus den Autonomen und in den folgenden Jahren bestimmte deren
Bleiwüstenideologie die Autonomen die bald diesen Namen nicht mehr verdienten.
So hieß es auf dem autonomen Plenum gelegentlich, man fühlt sich in die ML Zeit
zurückversetzt.
Das Hassobjekt Amis jedenfalls überlebte alle
Veränderungen und wurde zu einen Identität stiftenden übergreifenden Moment der
zerfallenden Linken, bis heute. Das Ende des kalten Krieges änderte vieles, nur
nicht das Weltbild vieler Linker, zumindest was ihre Sicht auf die dritte Welt
betraf. Das da etliches an unsympathischen Zeug aufkam wurde ignoriert.
Hatte schon 78 einige naive Zeitgenossen der
volkstümliche Islam beeindruckt, bis es ein böses Erwachen gab, ließ man sich
solange nicht vom aufkommenden Fundamentalismus stören, bis zur Nachrichtenzeit
plötzlich der beste Äktschänfilm lief. Immer noch glaubten viele an die
kämpfenden Völker wo längst die Kindersoldaten rekrutiert wurden oder an den
gerechten Kampf des palästinensischen Volkes wo sich längst die Islamisten mit
ihrer Mordkultur breitgemacht hatten.
War der Antiimperialismus all die Jahre hinweg auch
eine Sache des schlechten Gewissens, soll heißen, wir hier im reichen Westen,
so wurde dieses moralinsaure Druckmittel mit der aufkommenden Rassismusdebatte
endgültig zur ungenießbaren Gedankenvernichtung. Umgedrehter Rassismus als Form
für seine Sünden zu büßen (so wie in den 70igern die Studenten für ihre
bürgerliche Herkunft und dem Privileg zu studieren, in ML Sekten mit harter
Arbeit und Fabrikarbeit zu büßen hatten
). Wir sind weiß, männlich (die Hälfte zumindest) und wohlhabend (verglichen
mit den vielzitierten hungernden Negerkindern). Also haben wir dafür zu büßen
und uns besonders um die Schwachen zu kümmern. Daß die angeblich Schwachen ihre
Kinder in den Tod schicken stört nicht weiter. Daß die Afrikaner auch nur Autos
und Rechner wollen, genauso wenig und noch weniger das sie sich ihre
Lebensvorstellungen nicht von Berliner Feministen vorschreiben lassen, schon
gar nicht in Nairobi.
Das Afrikaner genauso rassistisch sein können haben
sie in Ruanda bewiesen, dafür gehört zur Ideologie des gestandenen Antimp, an
den Mythos vom edlen Wilden zu glauben und sich zur Illustration das Che Plakat
an die Wand zu pappen.
Aber es hat sich doch was bewegt. Schon als Parolen
an der Wand zur Unterstützung der Maoisten in Peru auftauchten erzeugte das nur
noch verächtliches Abwinken, über den Kampf der Palästinenser haben
mittlerweile genug ihre letzten Illusionen verloren und das es in Afrika einer
Buscharmee die Kindersoldaten zu Mördern ausbildet, um Befreiung geht, daran
glauben nur noch unbelehrbare Spinner.
Überlebt hat die bürokratische Form des
Antiimperialismus im Internet, auf den Seiten der letzten übrig gebliebenen
Spinner deren Haarausfall offenbar ihrer Hirnverkalkung entspricht (keine
Vorurteile gegen Halbglatzen). Da finden sich noch die Solidaritätsadressen an
befreundete Organisationen oder eine Webseite gegen die imperialistischen Lügen
über Mordkorea. Will gar nicht wissen welches kranke Hirn die verbrochen hat,
es gibt Zeitgenossen, deren Bekanntschaft ich mir nicht antun muß.
Was fängst mit an? Es bleibt nur, sich die Welt
anzuschauen wie sie ist, das heißt ja auch Weltanschauung bzw. Ideologie. Wer
die Welt verändern will, oder wenigstens was im eigenen Umfeld, muß sich die
Welt anschauen wie sie ist und nicht wie sie sein soll. Und bevor man etwas
anfängt, erstmal überlegen wie groß die Aussicht auf Erfolg ist. Sonst ist der
Frust so sicher wie das Amen in der Kirche. Und sich eben nicht für jeden
Scheiß einspannen lassen und nicht jeder Propaganda glauben.
PS: Im Internet findet sich die Schwachsinnslosung,
gegen Sexismus und Kopftuchverbot. Hier hat sich der Verstand endgültig verabschiedet.
Konsequenterweise finden sich diese Sektierer bei arabischen Hassdemos ein um
ihre "unverbrüchliche Solidarität" zu bekunden. Antiimperialismus
live im Jahre 04.
Andere sind dagegen sogar lernfähig und ebenfalls
auf Indymedia zeigt sich, das die Hamas es bei denen die ihren Verstand noch
benutzen, endgültig verschissen hat. Eine Demokultur mit Geschlechtertrennung,
Frauen mit Kopftuch, da sehen Linke die sich da verirrt haben schon durch ihr
Äußeres wie Exoten aus und die können sich zurecht fragen, was sie hier
eigentlich verloren haben.