Samstag, 23. Juni 2012

K-Gruppe

K-Gruppe
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Als K-Gruppen wurden ursprünglich die mit dem Zerfallsprozess des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) und dem damit einhergehenden Niedergang der Studentenbewegung der 1960er Jahre entstandenen – überwiegend maoistisch orientierten – Kaderparteien bezeichnet, die vor allem in der ersten Hälfte der 1970er Jahre in der damaligen Bundesrepublik Deutschland eine gewisse Rolle innerhalb der Neuen Linken spielten. Der Begriff „K-Gruppe“ wurde hauptsächlich von konkurrierenden linken Gruppierungen sowie in den Medien benutzt. Er diente als Sammelbezeichnung für die zahlreichen oft heftig zerstrittenen Kleinparteien und spielte auf deren gemeinsames Selbstverständnis als kommunistische Kaderorganisationen an.

Bundesweit relativ einflussreiche Gruppierungen im außerparlamentarischen Milieu der Politischen Linken waren vor allem die Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (KPD/ML) mit ihren zahlreichen Abspaltungen, die KPD/AO, später KPD sowie der Kommunistische Bund Westdeutschland (KBW). Regionale Bedeutung besaßen darüber hinaus der Kommunistische Bund (KB) in Norddeutschland, der Kommunistische Arbeiterbund Deutschlands (KABD) im Südwesten und in Nordrhein-Westfalen, sowie der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) in Bayern.

Mitte der 1970er Jahre zählten die verschiedenen K-Gruppen nach Verfassungsschutzangaben insgesamt rund 15.000 Mitglieder. Nach dem Tod ihrer ideologischen Leitfigur Mao Zedong 1976 verloren sie jedoch rasch an Bedeutung. Zahlreiche Aktivisten schlossen sich in der Folgezeit der sich neu formierenden Friedens- und Umweltbewegung und der daraus hervorgegangenen Partei Die Grünen an.

Ursprünglich nicht zu den K-Gruppen gezählt wurden seinerzeit trotzkistische Gruppierungen, ebenso wenig die am osteuropäischen Realsozialismus orientierte („altlinke“) DKP und die West-Berliner SEW.

Wurzeln in der Studentenbewegung
Die „historischen“ K-Gruppen entstanden ab etwa 1968, gegen Ende der Hochphase der Studentenbewegung der 1960er Jahre. Die meisten gingen aus verschiedenen Strömungen und regionalen Gruppen des zerfallenden Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) hervor. Obwohl sie sich intensiv um Lehrlinge, Arbeiter und insbesondere um Altmitglieder der 1956 verbotenen KPD bemühten, blieben die meisten K-Gruppen von Studenten und Intellektuellen geprägt.

Ideologische Vorbilder
Nahezu alle K-Gruppen sahen sich als legitime Erben der historischen KPD an. Einig waren sie sich zudem in ihrer Ablehnung des osteuropäischen Kommunismus seit der Entstalinisierung ab 1956, den sie als „revisionistisch“ verwarfen. Stattdessen bezogen sie sich zumeist auf das chinesische Sozialismusmodell Mao Zedongs bzw. auf die Sowjetunion vor der Entstalinisierung. Nach dem Tod Maos und dem damit verbundenen Kurswechsel Chinas orientierten sich einige Gruppen zeitweise auch an Albanien unter Enver Hodscha oder das Regime der Roten Khmer in Kambodscha.

Wenngleich alle K-Gruppen für sich den Anspruch erhoben, den von Karl Marx und Friedrich Engels begründeten und von Lenin ausdifferenzierten Marxismus zu vertreten oder diesen in der Gegenwart angemessen weiter zu entwickeln, schieden sich an der Frage, welche der damaligen kommunistischen Richtungen, Führungspersönlichkeiten und Staaten die Linie des wahren Marxismus und der früheren KPD vertrat, zwischen den einzelnen K-Gruppen oder auch innerhalb von ihnen stets die Geister. Dabei kam es zu für Außenstehende oft kaum oder nur schwer nachvollziehbaren Kontroversen, Abspaltungen und Neugründungen, wobei die eine Gruppe genau das als „revisionistisch“ ablehnte, was die andere ihrerseits als wahren Weg zum Kommunismus favorisierte. Von Kritikern wurde und wird den K-Gruppen daher oftmals eine Tendenz zur ideologischen „Selbstzerfleischung“ und politisches Sektierertum vorgeworfen. Zwar gab es auch Versuche, gemeinsame Inhalte in den Vordergrund zu stellen und die Zersplitterung untereinander zu überwinden. Vereinzelt kam es dabei sogar zur Zusammenarbeit mit früher heftig abgelehnten trotzkistischen Gruppen, so etwa bei der Gründung der VSP (Vereinigte Sozialistische Partei) 1986. Zu diesem Zeitpunkt hatten die K-Gruppen allerdings bereits massiv an Bedeutung verloren.

Übergang in die neuen sozialen Bewegungen und zu den Grünen
Keine der damaligen K-Gruppen konnte unmittelbar einen nennenswerten politischen Einfluss auf Bundes- oder Länderebene in Westdeutschland gewinnen. Vereinzelt hatten K-Gruppen-Funktionäre Einfluss in Betriebsräten und einigen Gewerkschaften. Eine bedeutendere Rolle spielten einige K-Gruppen in den 1970er Jahren in den Studentenvertretungen größerer Universitäten. Auch bei den Aktivitäten von Teilen der Neuen Sozialen Bewegungen, etwa der Umweltbewegung, der Friedensbewegung oder der antiimperialistischen Bewegung, brachten Vertreter von K-Gruppen ihre Inhalte ein.

Über diese Bewegungen fanden zahlreiche ehemalige Aktivisten später eine neue politische Heimat bei den Grünen, so zum Beispiel Ralf Fücks, Winfried Nachtwei, Krista Sager, Joscha Schmierer, Jürgen Trittin oder Antje Vollmer. Vereinzelt fanden frühere K-Gruppen-Mitglieder aber auch zur SPD (Ulla Schmidt) oder – ab 1990 – zur PDS (Andrea Gysi).

K-Gruppen in der Bundesrepublik Deutschland (nach Gründungsjahr)
Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands 1965–1968
Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (KPD/ML) – 1968 bis 1986
Kommunistische Partei Deutschlands (Aufbauorganisation) (KPD/AO), später KPD – 1970 bis 1980
Kommunistischer Bund (KB) – 1971 bis Juni 1991, vor allem in Norddeutschland aktiv
Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands (KABD) – 1972 bis 1982, danach in der MLPD aufgegangen
Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD (AB) – seit 1973
Kommunistischer Bund Westdeutschland (KBW) – Juni 1973 bis Anfang 1985 (Selbstauflösung)
Marxisten-Leninisten Deutschland (MLD) – 1976 bis 1981, fiel vor allem durch nationalistische Parolen und Wahlaufrufe für die CSU auf
Volksfront gegen Reaktion, Faschismus und Krieg (VOLKSFRONT) – 1979 bis Anfang 1990er Jahre: Aus der KPD/ML hervorgegangene Partei, die im Bundestagswahlkampf 1980 v. a. eine Bundeskanzlerschaft von Franz-Josef Strauß (CSU) verhindern wollte
Bund Westdeutscher Kommunisten (BWK) – September 1980 aus einer Abspaltung vom KBW hervorgegangen, im März 1995 Selbstauflösung als Partei
Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) – seit 1982, aus dem KABD hervorgegangen, anfangs mehr, in der Gegenwart eher verhalten maoistisch geprägte Partei
Vereinigte Sozialistische Partei (VSP) – 1986 bis Mitte 1990er Jahre, ging aus der Vereinigung von KPD/ML mit der trotzkistischen Gruppe Internationaler Marxisten (GIM) hervor.
Roter Oktober – seit 2002, stalinistisch geprägte Organisation (eine Splittergruppe von KPD [Roter Morgen])

K-Gruppen in Österreich (nach Gründungsjahr)
Kommunistische Initiative (KI) - Abspaltung von der KPÖ
Marxisten-Leninisten Österreichs (MLÖ) – 1966–1967, Abspaltung von KPÖ
Marxistisch-Leninistische Partei Österreichs (MLPÖ) – seit 1967, umbenannte Mehrheitsströmung der MLÖ
Vereinigung revolutionärer Arbeiter Österreichs (VRA) – seit 1968, von MLÖ-Minderheit gegründet
Kommunistischer Bund Österreichs (KBÖ) – 1976–1981, Partnerorganisation von KBW
Kommunistische Aktion - marxistisch-leninistisch (KOMAK-ML) – seit 2002, aus Zusammenschluss von Kommunistische Aktion, Initiative Marxist/innen-Leninist/innen und Wiener Anhängern von Bolsevik Partizan entstandene Kleingruppe, gibt vierteljährlich die "Proletarische Rundschau" heraus

K-Gruppen in der Schweiz
Kommunistische Partei der Schweiz/Marxisten-Leninisten (KPS/ML)
Daneben existierten weitere maoistische Parteien und Organisationen, die aber nicht von der Kommunistischen Partei Chinas anerkannt wurden.