Donnerstag, 21. Juni 2012

Parteiauflösung

Textauszüge aus der letzten Rote Fahne der KPD (1980) zur Parteiauflösung. Einiges in der Ausdrucksweise ist zeitbezogen oder nimmt Bezug auf die isolierte Denkweise und wirkt  heute teil s etwas fremd und schwer nachvollziehbar. Trotzdem ein Zeitdokument.

Zwar ist die KPD aufgelöst worden, aber nicht als Konsequenz einer inhaltlichen Auseinandersetzung auf dem Parteitag, sondern durch die Macht der Realität, die viele ja vorher nicht wahrhaben wollten.
Die Gefahr der Atomisierung ehemaliger Mitglieder und Freunde der KPD nach dieser Auflösung ist konkret. Doch allein aus diesem Grund zusammenzuhalten was nicht mehr zusammenzuhalten ist - es sei denn als dogmatische Sekte - anstatt zuerst die Gründe für die gegenwärtige Situation herauszufinden, hilft weder die Situation zu verstehen noch eine wirkliche Perspektive zu finden.
...Für unsere Organisation gilt aber; Die Mehrheit des ehemaligen führenden Kerns hat sich als Hemmschuh bei dem Versuch erwiesen mit den schweren Fehlern der Vergangenheit zu brechen.....

Gleichzeitig hat aber der Prozeß des selbstständigen Denkens der großen Mehrheit der Mitglieder erst nach dem 2. Parteitag und in der Konfrontation mit der Wirklichkeit und unseren nicht einzulösenden Ansprüchen begonnen.


....mit einem Denken Schluß zu machen, das Ansprüche setzt und eine kommunistische Scheinidentität und Perspektive aus einer Marx Lenin Orthodoxie gewinnt.


.....das es notwendig war, mit Ansprüchen und Zitatensammlungen, die keine Antwort geben auf die heutige Wirklichkeit, endlich Schluß zu machen.


.....zum Schluß zu den Strukturen: Bruch mit der Vergangenheit, dies ist nicht allein eine Frage von "wir wollen," und dies ist auch nicht allein ein kollektiver Prozeß, heute in einer Phase des Umbruchs und Neubeginns, der leicht Schutz bietet und wo man sich nicht selbst verantworten muß. Bruch mit der Vergangenheit ist ein inhaltlicher und individueller Prozeß, der oft sehr schmerzvoll und ernüchternd ist, wo man erst nach einiger Zeit wieder Boden unter den Füßen hat und den Fortschritt erkennt. In einer Organisation die sich als Avantgarde gesetzt hat, wo Mitglieder nicht zum Mitdenken erzogen wurden, wo vor allem aber eine Struktur existierte, die es den Leitungen möglich machte, Macht auszuüben, ohne wirklich kontrolliert werden zu können, wo innerhalb der Ebenen oft ein Loyalitätsdenken existierte, was Schwächen schützte und Fehler vertuschte; In einer Organisation wo die Führung aus Berufsrevolutionären bestand, von denen viele gesellschaftlich isoliert und im praktischen Leben mit seinen Sorgen und Nöten völlig unerfahren waren. Ist die Zerstörung des alten und auch in gewisser Weise die bisherige Existenzgrundlage dieser Genossen ein längerer und windungsreicher Prozeß und müssen notwendigerweise die konservativen Kräfte, ganz oben sitzen. Es wird keine gemeinsame Perspektive ohne radikale Aufarbeitung der Vergangenheit geben. Wer versucht halbherzig und mit unausgewiesenen Ansprüchen weiterhin zu retten, was nicht mehr zu retten ist, den wird die Vergangenheit schneller einholen als er denkt und die Verantwortung für verpasste Chancen wird ungleich schwerer wiegen als heute.


....Eine radikale Bilanz unserer 10jährigen Politik ist notwendig, denn wir meinen, das nicht nur Auswucherungen unserer Politik und Anschauungen fehlerhaft waren, sondern wir sind gründlich gescheitert....

Weil wir viel Schaden angerichtet haben - dies im Bezug auf die Bewegungen aber auch uns selbst gegenüber.
Wenn wir nicht gründlich mit dieser Vergangenheit abrechnen, ihre Ursachen im Erbe unserer Politik und unserem eigenen Denken aufspüren, dann wird das Alte sich fortschleppen. Um abzurechnen müssen wir uns herausbegeben aus der ewig sich selbst, fern jeder Realität sich fortpflanzenden Eigendynamik unserer Organisation.
....eine Organisation wie unsere, die sich hauptsächlich auf Dogmen gründet und ihren Zusammenhalt durch ihren Zwangscharakter geschaffen hat, eine Organisation die völlig entfremdete zwischenmenschliche Beziehungen hat, wo jeder den anderen nur als Mitkämpfer aber nicht als Menschen kennt, muß notwendigerweise in Zwietracht und letztlich in ein Nichts zerfallen.
....es gibt ganz reelle unterschiedliche Positionen von Politik, die es allemal rechtfertigen und nötig machen mit dieser Scheineinheit von Organisation Schluß zu machen. Allen die jetzt für eine Übergangsorganisation sprechen um die Einheit zu wahren und eine Spaltung zu verhindern, sagen wir: zerschlagt erst einmal das Instrument, das in der Vergangenheit eine Avantgarde der Spaltung der linken Bewegung war.

....Die 99er würden darin wichtige Fragen entdecken, aber das Entscheidende wäre, die Bewegung auf ihren antihegemonistischen Gehalt hin abzuklopfen, wie halten sie es mit den Supermächten. Mögliche Betroffenheit über mörderische und selbstmörderische Verhältnisse? Wie niedrig und unwichtig gegenüber weitsichtigen strategischen Überlegungen. Aber was ist die schönste Strategie, wenn sie an den von Menschen formulierten Bedürfnissen, ihrer Angst wie ihrer Hoffnung vorbeistrategisiert?

Sollen wir uns aufregen, stoßen an den kleinen alltäglichen Widerlichkeiten oder sind sie viel zu banal und eben alltäglich und sagen wir mit erhobenen Kopf dazu; das ist doch klar, das ist der Kapitalismus, das haben wir schon immer gesagt, dagegen hilft nur ein unabhängiges vereinigtes und sozialistisches Deutschland, uns fügen gleich nach, als Weg des Herankommens, den antihegemonistischen demokratischen Kampf an?
....in unserer Propaganda eines unabhängigen vereinten sozialistischen Deutschlands dagegen spielten die Menschen mit ihren gesamten Bedürfnissen, mit ihren gesamten Lebensverhältnissen keine Rolle. Sie waren lediglich Vollzugsorgane eines von uns vorprogrammierten Geschichtsprozeßes. Es ist ein Zeichen für unsere Rückschrittlichkeit und nicht für die Rückschrittlichkeit der Menschen, das die antihegemonistische Linie irgendwie an der Ökologiebewegung vorbeihaut.
Nun wie soll es weitergehen? Gerade weil wir den Parteiradius seit längerem überschritten haben, wissen wir, das es viele Möglichkeiten und Hoffnungen für uns gibt. Gerade unser neues Politikverständnis macht es uns möglich, auch im alltäglichen Leben positive Ansätze einer wirklich greifenden Politik zu sehen die von Menschen und d.h. auch von uns selber ausgeht.
Siehe auch:
Vor 25 Jahren. Auflösung der KPD
KPD