Im Internet gibt es ein erfreutes Wiedersehen, da
finden sich die Seiten längst vergessener Politsekten aus den 70igern wieder
und quicklebendig sehen sie aus. Fast könnt man vergessen, daß die Beteiligten
mittlerweile an die 30 Jahre älter geworden sind (wenn auch nicht unbedingt
klüger) und Mauerfall, Denkmalsturz, Ende des Warschauer Pakts (der Warschauer
packt) bis Albanien, es scheint spurlos an ihnen vorübergegangen zu sein. Für
einen der mal mitgemacht hat, erscheinen diese Seiten wie beste Satire. Seltsamerweise sind sie bierernst
gemeint.
Einer Webseite sieht man nicht an, wer oder was
dahinter steckt, eine große Organisation oder nur eine handvoll Spinner. Und
hier finden sich die vergessenen Parteikürzel von KPD bis KPD/ML wieder und auch deren Zeitungen, die man gedruckt schon lange
nicht mehr gesehen hat. Man kann sie zur persönlichen Erheiterung besuchen und
sich über ein Wiedersehen mit der Agitationsgraphik freuen, etwa jenen echten
Signum der tendenziellen Progression des Haarausfalls - dem Köpfebanner von
Marx bis Mao. Wer hätte das vor 10 Jahren für möglich gehalten? Aus der realen
Welt waren sie längst verschwunden, wenn es überhaupt noch zu einer Zeitung reichte,
man mußt sie schon lange suchen. Zwar tauchten im Uniumfeld wieder neue Sekten
auf, irgendwann verschwanden sie wieder nachdem die anfangs Naiven merkten, daß
sie hier auf dem Holzweg sind. So etwa Linksruck, nur davon sieht man auf deren
professionell aussehenden Seite nichts. Klar, auf diesen Seiten sieht man nicht
wie es innen aussieht. Da muß man sich schon woanders hinbegeben. Auf einer
Studentendemo etwa um die paar vereinzelten Zeitungsverticker bei ihren
verzweifelten Bemühen zu bewundern, ihr Käsblatt unters Volk zu bringen. Wer
das gesehen hat, hat genug gesehen und kann solche Seiten besser beurteilen,
auch wenn man selbst das Glück hatte nicht in sowas reinzugeraten. Nun darf man
seinen Spaß haben, besuch die letzten Stalinfans, oder die letzten Maoisten.
Willkommen im Sektenzoo; diesem Museum der 70iger Jahre. Besuch die letzten
Freunde Mord... ähm Nordkoreas und lasse mit ihnen gemeinsam den großen Kim
Hochleben. Bestaune die Wandlung des Kopfbanners, nun ist auch Enver Hoxha in
den Parteihimmel angekommen. Feiere mit der MLPD das Lebenswerk Willi Dickhuts.
Noch nie gehört den Namen? Mach dir nix draus. Genieße online die
Revolutionsgraphik und die Schlachtengemälde im sozialistischen Realismusstyl.
Vergiss die DKP nicht, ja sowas gibt s immer noch. Wunder dich nicht über den
Mangel an offenen Seiten, unzensierte Zeilen mochten sie noch nie. Für
Interessenten der Zeitgeschichte eine Fundgrube. Wer altersmäßig die 70iger
nicht mehr aus eigener Anschauung kennt, hier findet man live und in Farbe die
Denkweise der damaligen linken Politlandschaft als hätte man eine Dreißigjahre
alte Konservendose geöffnet. Keine Satire ist so hart wie das Leben.
Nachtrag: Online gibt es noch ein anderes
Wiedersehen und nicht immer macht Wiedersehen Freude. Die linke Printwelt ist
mir aus meiner Arbeit vom ID noch gut vertraut, das ist aber schon länger her.
Irgendwann hörte ich auf diese Kleinblätter zu lesen bzw. ließ Flugis
buchstäblich links liegen. Damit befand ich mich in
bester Gesellschaft. Viele mal dran Beteiligte hörten auf dieses Graupapier zu
lesen. Immer die gleichen Themen und immer noch die mieße Typographie und
Gestaltung, von den lausigen Bildern nicht erst zu reden. Das sich auch mit
Kopierer und Stift einiges machen lässt, scheint bei den Produzenten dieser
Kleinpresse nicht angekommen zu sein, aber warum soll das mein Problem sein?
Ich reagierte so wie der Rest, mit Überdruss. Man konnt das Zeug irgendwann
nicht mehr sehen und wollt irgendwann das ewige Gejammer nicht mehr lesen,
ebenso wenig die Kleinkriege die außerhalb dieses Mikrokosmos niemand auch nur
zur Kenntnis nimmt. Genauso wenig wie die Sprachreglungen, das BinnenI und das
nicht endende Sexismusgeschrei.
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Was zuviel wird, wird zuviel und erzeugt
Abwehrreaktionen. Oder man fing an drüber Witze zu machen und die eigenen
Parolen zu parodieren. Sieg im Vollrausch. Hoch die Internationale
Kinderschokolade, das sind schon alte Klassiker, genauso wie Ute statt Plastik
oder Kein Blut im Öl. Jedenfalls verschwand diese Welt langsam aus dem
persönlichen Umfeld, was spricht gegen FAZ? Hast auch was zu lesen. Sie
verschwand auch draußen, Demos wurden selten oder man nahm sie nicht mehr wahr
und auch die Beteiligten wurden unkenntlich. Sie trugen kein Palituch mehr und
liefen auch nicht mehr rum wie nach zwei Wochen Zugfahrt quer durch Europa mit
Interrail. Solche Gespenster mußt man irgendwann in Kreuzberg suchen.
Manche Probleme erledigen sich irgendwann von selbst
und wenn Zeichen nicht mehr zur Provo oder Abgrenzung taugen, dann lässt man s
irgendwann. Ebenso wenig wenn sie kein Zeichen von Zugehörigkeit mehr sind,
weil es nichts mehr gibt dem man sich zugehörig fühlen könnte, weil dieser
Zusammenhang längst auseinander gebrochen ist.
Dafür findet man heut umso mehr im Internet, was in
der Welt draußen längst Museumsreif ist. Da führen sie immer noch Sprachkriege
und kloppen sich um Themen über die nicht mal die reden wollen, die das vor 20
Jahren mal geschrieben haben. Sektierertum wie es leibt und lebt. Erbittert
verteidigen sie die letzten Positionen die ohnehin niemand mehr ernst nimmt.
Man muß hier unterscheiden, in der Welt draußen sind sie längst bedeutungslos
geworden, schon weil die "eigenen" Leute irgendwann nicht mehr
zuhören wollten und den letzten Gespenstern die Gefolgschaft aufkündigten.
Im Internet dagegen erscheinen sie größer als sie
sind. Auf Indymedia bekommt man diesen Irrsinn noch live geboten und kann sich
verhasst machen wenn man drauf antwortet. Es ist das Gemisch aus Veteranen, die
den Ausgang aus der selbst geschaffenen Propaganda nicht finden und neu
Dazugekommenen, die aus Schiß nicht dazugehören zu dürfen, sich anpassen und
ohne nachzudenken die alten Irrtümer nachäffen. Viele haben sich still und
leise verabschiedet und haben dazu nichts mehr zu sagen, wer es trotzdem macht,
wird da schnell zur Zielscheibe. Nichts mögen sie weniger als Menschen die
ihren Kopf befreit haben und über deren Denken sie keine Macht mehr haben.
Saul 04 |