Samstag, 30. Juni 2012

Linke Utopien

Utopien sind eigentlich Vorstellungen von einer Welt oder Gesellschaftsform, die zumeist in die Zukunft verlegt werden. Zu Zeiten der sozialistischen Klassiker mußte der Sozialismus oder Kommunismus erst noch erkämpft werden.
Retroutopien gab es freilich schon früher. In der Weimarer Republik war die "Gute Alte Zeit" der Zustand, den viele wieder anstrebten. Soll heißen, es gab einen Kaiser, Kolonien und Deutschland war noch groß.
Doch wie sieht es heute aus, nachdem die Zukunft bereits Vergangenheit zu sein scheint?
Seit einiger Zeit ist die Linke etwas zerfasert und hier lässt sich feststellen, das etliche der Gruppen oder Sekten, zwar ihre Utopien pflegen, diese aber in der Vergangenheit liegen.
Trotzkistengruppen haben ihren utopischen Zustand in die Sowjetunion zur Zeit Lenins verlegt. Was nach Trotzki kam war für sie nur noch ungenießbar. Diesen Zustand wiederherzustellen ist ihr Fernziel. Das Trotzki nicht weniger bedenkenlos die Machtmittel nutzte als Stalin, ignorieren sie dabei.
Maoistisch Stalinistische Sekten wie die MLPD haben ihre Utopien in die Zeit der Sowjetunion unter Lenin/Stalin und in China unter Mao verlegt. Danach kam nur noch Revisionismus und Verrat an der reinen Lehre bzw. Restauration des Kapitalismus. Ihr Ziel ist daher, den Zustand dieser Zeit zu rekonstruieren.
Einige Stalinistengruppen die vorwiegend im Internet präsent sind, haben ihre Utopie u.a. nach Albanien verlegt. Ihre Utopie zerbrach mit den Umbruch dieses Systems.
Was sie dabei gemeinsam haben, ihre Retroutopie ist eine reine Buchstabenwelt, selbst haben sie diese Gesellschaftsformen in der Praxis nie erlebt. Einzige Ausnahme sind die DDR Traditionalisten, die diese noch erlebt haben und sauer sind, das ihr ganzes Leben nichts mehr gelten soll. So denken zwar viele, ohne deswegen der DDR nachzutrauern, dies ist vor allem Sache der Ostkommunisten.
Die DKP und traditionell denkende Kommunisten haben ihre Utopiebasis in der untergegangenen DDR und in den Staaten des Warschauer Paktes bis zu den Veränderungen unter Gorbatschow. Für diese befand sich Utopia hinter der Mauer, bis diese zerlegt wurde. Die Tragik dieser Form utopischen Denkens besteht darin, das die betroffenen Völker für den real existierenden Sozialismus vermutlich zu ihren Lebzeiten nicht mehr zu gewinnen sein werden.
Anarchisten haben es dagegen etwas schwerer, ihnen fehlt die Machtbasis der Vergangenheit. Daher bevorzugen sie Versuche, in denen Anarchie zeitweise einen realen Einfluß hatte, so etwa in der spanischen Republik oder kurzfristig in Kronstadt. Daraus leiten sie ihr Fernziel ab.
Feministen haben ebenfalls ihre Retroutopie. Sie verlegen ihr Wunschland in eine ferne mythische Vergangenheit, in der es ein Matriarchat gegeben haben soll, unabhängig davon, das dieses sicher nicht ihren Vorstellungen entsprach, da wo es etwas von Vergleich gegeben hat. Für die Zukunft  freilich schwebt ihnen eine Welt vor, in der Männer überflüssig sind. Eine Utopie, an die nur jemand glauben kann, der die Konsequenzen ignoriert.
Zu erwähnen wären dann noch die Utopien der Altlinken, die wahlweise 68 heißen oder Woodstock. Soll heißen, die Zeit, als sie jung waren und noch was abging. Das trifft auch auf einige Altlinke zu, deren Utopia in den 80igern im besetzen Haus oder in der Bewegung liegt, als sie noch jünger waren und sich was bewegte. Im Gegensatz zu heute, wo  sich vorgeblich nichts mehr bewegt. Jedenfalls sind sie selbst daran nicht mehr aktiv beteiligt. Die Tragik dieser Retroutopie besteht darin, das zum einen die Erfindung der Zeitmaschine noch auf sich warten lässt, zum anderen sie ja nicht wieder zu Bewegungsjugendlichen werden und folglich keine Möglichkeit finden werden, den utopischen Zustand von früher wiederherzustellen.