Donnerstag, 21. Juni 2012

Altlinke

Wer sind die Altlinken? Sind das die Apo Opas? Oder gehören bereits die Linken dazu, die in den 80igern dabei waren und von denen es irgendwann hieß, Autonome sind Jugendliche über dreißig? Für etliche davon ist vierzig mittlerweile kein Thema mehr. Echt, wie die Zeit vergeht.
Dies ist ein Thema, über das man zwar als Selbstbetroffener schreiben kann, nur wie das Thema angehen, ohne das die Zeilen nur so vor Bitterkeit und Frust triefen und nur noch Gift und Galle rauskommt?
Damals war alles besser, nicht? Dieser abgedroschene Satz. Man kann s kaum noch hören. Damals war zwar nicht alles besser, aber man war jünger. Wer jung war, war links und unsere Gegner waren meist die alten Säcke. Und heute sind wir wohl die alten Säcke, nur was fangen wir damit an?
Bei vielem dabei gewesen, viel mitgemacht, viel Mist gemacht und irgendwann festgestellt, womit man alles seine Zeit verschwendet hat. Aber das konnte man erst hinterher beurteilen. Mit zwanzig kann man vieles wegstecken, die Power scheint unbegrenzt. Mit vierzig merkt man die Grenzen und fragt sich, wo lohnt es sich noch was reinzustecken?
Man hat sich ja von so einigen mitreißen lassen. Wer vorm Fabriktor die Parteizeitung vertickte, merkte erst nach einiger Zeit, das er hier nur seine Zeit verschwendet. Als sich die selbsternannten Parteien der Arbeiterklasse auflösten, fragten sich viele, was sie eigentlich da in all den Jahren getrieben hatten und wer sich mit den vielen Druckwerken abgemüht hatte, stellte irgendwann fest, die Welt interessiert sich nicht für dein Bleiwüstenwissen. Und auch die gesammelten Zeitungsstapel wurden irgendwann entsorgt, man wußte nicht mehr, warum den Papiermüll noch mitschleppen.
Oder so, war doch nicht alles schlecht. Der Spruch, den man aus der untergegangenen DDR zu hören bekam. Nein, alles kann nicht so daneben gewesen sein, warum hat man sonst mitgemacht? Was anfangs nach hoffnungsfrohen Projekten aussah, erwies sich aber zu oft als Sackgasse und solche Erfahrungen prägen eben. Diese Erfahrungen konnt einen niemand mehr nehmen, die saßen und die ließ man sich auch von Regalmetern an Druckschriften nicht mehr ausreden. Mit zunehmender Erfahrung konnt man alles was folgte, gelassener angehen und man wurde skeptisch. Also nur nicht zuviel reinstecken, man bekommt zuwenig zurück, das hattest doch immer wieder erlebt. Egal was grad läuft, man muß sich nicht für umbringen. Das konntest dir sagen, als sie alle zu den Grünen rannten, wohin werden sie morgen rennen? Lass sie rennen, ich leg mich pennen.
Was ist grad angesagt? Da packt dich das Mißtrauen, wie lang hält das und ist es morgen nicht wieder vergessen, weil es wieder ne neue geniale weltbewegende Idee gibt, der alle hinterherrennen?
Auch bei den Linken wechseln die Themen die grad in sind. Früher bei der Verwalterin des Antiimperialismus in den 70igern, war das einfach. Zentral wurde das Thema vergeben und dazu hatten die Mitglieder nun zu werben. Allgemein in der linken Welt ist das von einigen Bedingungen abhängig, aber es läuft vergleichbar, wenn auch oft Medienabhängig. Golfkrieg? Gab ne Demo dann war s das, nun muß was anderes her. Hartz? Nach einigen Demos abgehakt, nun brauchen wir neuen Stoff. Oder die Liste der genialen Weltverbesserungseinfälle, mit denen man doch noch die Welt zu verändern hofft. Irgendwelche seltsamen Theorien von denen man noch nie gehört hatte und sich fragt, haben die sonst nix zu tun? Die Liste der Themen ist lang an denen man sich abgearbeitet hat und meist schnell vergessen.
Aber zurück zum Altlinken. Der wurde in all der Zeit nicht jünger und heut rückblickend betrachtet, fragst dich, was hat s alles gebracht? Unterm Strich betrachtet nicht allzuviel, aber was hast auch erwartet?
Mit der Zeit hab ich es erlebt, verhielt mich selbst genauso gleichgültig wie unsere ehemalige Zielgruppe, wenn mir mal wieder de Demo überm Weg lief. Schon die Flugis wollt ich nicht haben. Oder wenn ich aus Neugier noch mal reinschnupper, hatte kein Problem, mittendrin rauszugehen und den Haufen sich selbst zu überlassen.
Ist das nicht unser Problem? Was sollen wir den jungen Gestalten sagen, die grad frisch dabei sind und glauben hier haben sie eine Heimat und einen Lebenssinn gefunden? Waren wir nicht genauso bekloppt?
Der Altlinke von heute hat auch ein optisches Problem. Man sieht sein Alter, lässt sich schlecht vermeiden. Man kann schlecht mit fünfundvierzig wie zwanzig aussehen und man fällt auf bei Politaktionen, wenn die Beteiligten eben in dem Durchschnittsalter sind, als man da noch reinpasste. So Gestalten können schon rein optisch gesehen, zu tragischen Figuren werden. Operndemo in Ffm, an der Hauptwache hat sich das Jungvolk von heut versammelt. Viel black und dunkel und halbvermummt. Dazwischen hat sich einer mit wuchernden Graubart und ungepflegter Halbglatze verirrt. Foto? Erschien mir zu gemein, schade fast. Das war original unser Altlinker der sich in dem jungen Volk verirrt hat und man fragt sich, was der hier eigentlich noch sucht. Na was wohl? Will der etwa durch seine Anwesenheit demonstrieren, ich bin immer noch dabei? Ich hab mich nicht vom System kaufen lassen, ich bin immer noch dagegen, als wenn das irgendwen interessieren würde.
Man kann sie auch beim ersten Mai bewundern, wenn sie hinter ihren Klapptischen stehen, vor sich die Parteidruckwerke ausgebreitet, die genauso aussehen, wie sie schon vor dreißig Jahren aussahen. Nur die Gestalten dahinter sehen nicht mehr so druckfrisch aus.