Dienstag, 10. September 2019

Trotzkistenwelt

SAV Screenshot
Der Text war auf Indymedia zu lesen, doch im Moment nicht zu finden. Versteckt sich in den Innenwelten der Zwischenspeicher oder so? Daher greif ich auf mein antiquiertes bescheidenes Gedächtnis zurück.
Um was es geht? Um einen Trotzkistenführer in England, der mittlerweile auch nicht mehr lebt. Nun einer seiner Henchman hat sich auf Indymedia gemeldet und über eine Begegnung erzählt. Etwa so. Dieser Trotzkistenvorsitzende äußert sich in einer Zusammenkunft dahingehend, daß es kein Wunder sei, daß die deutschen Genossen so verzagt sind und verwies auf die Kampferfolge der ortseigenen Sekte. Da könnten sie sehen, wie es geht. So etwa.
Muß man nicht weiter ernstnehmen. Auch in England sind die Trotzkisten nur eine unbedeutende Randerscheinung, zumal sie wie üblich in mehreren Kleingruppen gespalten sind. Von manchen weiß man eh nicht, ob es sie überhaupt noch gibt. Es ist nicht leicht da die Übersicht zu behalten und sei es nur um die Wikieintäge zu aktualisieren. 
Doch darum geht es hier nicht. Wenn dieser Verein in England nur marginale Bedeutung hat, dann in Deutschland noch weniger. Als eigenständige Gruppen blieben sie nur Strohfeuer die wieder verschwanden, nachdem ihre Neuzugänge die Ausbildung fertig hatten und älter wurden. 
Um was es geht, ist diese kleine Mitteilung über den altgedienten Vorsitzenden. Wenn die deutschen Genossen so verzagt sind. Es geht doch vorwärts, uns gehört die Zukunft oder so. Für diese interne Mitteilung darf man dem Schreiber danken. Was er damit unbeabsichtigt verraten hat, diese Sektenführer leben in ihrer eigenen Welt und setzen sich schon lange nicht mehr den Widrigkeiten aus, denen die kleinen Mitglieder gegenüberstehen. Die Gruppen vor Ort wissen ja am besten, wie frustrierend es ist, für den Verein zu werben, und wie es real abläuft. 
Das bleibt für einige nur noch der Entrismus, über den freilich weder Sozialdemokraten noch Gewerkschaften sehr erbaut sind.
Was hier betont werden soll, auch wenn dieser Vorsitzende mittlerweile nicht mehr lebt, es fehlt nicht an Ersatz und die leben ebenso abgehoben in ihrer selbstgeschaffenen Welt. 
Wann haben die zuletzt mit ihrer Zeitung auf der Straße gestanden und Hunderte an sich vorbeilaufen sehen? Wann standen sie am Rand einer Kundgebung und selbst da fanden sie keine Beachtung. Ihnen ist die Welt ihrer Henchman unbekannt, die genau dafür da sind. Die sich den Arsch abarbeiten, ausnahmsweise sogar mal Erfolg haben, aber erleben dürfen, wie die anfangs interessierten Kids beizeiten aus der Tretmühle flüchten, nachdem sie gesehen haben wie es da zugeht und dann bleiben nur die sozial angeschlagen, die Schiß haben ihre Heimat zu verlieren. 
Zieht sich durch die Geschichte (auch) des Trotzkismus seit 68. Oder seit zwanzig Jahren, seit das Internet ihnen  einen begrenzten Aufschwung verschaffte.
Darüber sollte man sich im Klaren sein. Solche Sektenführer leben abgeschirmt von der Realität und fühlen sich wie kleine Fürsten die was zu melden haben. 
Gerd Koenen hat so einen aus seinen Verein beschrieben. Sitzt in seinen Büro in der Parteizentrale, aufgeputscht von Kaffee und Nikotin und entwirft da seine Fantasywelten, bzw. seine strategischen Sandkastenspiele. 
Und die einfachen Mitglieder sollen das umsetzen und scheitern bereits daran, daß niemand auch nur für ihre Flugblätter Interesse zeigt.
Es ist typisch für solche Sekten, ob politisch, religiös oder wirtschaftlich. Im Zentrum sitzt einer und hält pseudooptimistische Vorträge und verspricht goldene Berge oder das Blaue vom Himmel herunter. Die Deppen an der Basis sollen das umsetzen. Nur wie? 
Bei den Sekten aus den USA ist es klar ersichtlich. Die Führung befielt ihren Schafen, zieht aus und bekehrt die Ungläubigen zu unseren Verein. Raus in den Felddienst, wie es die Zeugen Jehovas nennen. Ja und da stehen sie bei Wind und Wetter und halten den gleichgültig vorbeihastenden Leuten ihr Blatt vor die Nase. Kaum jemand beachtet sie, doch damit können sie bei ihrer Führung nicht ankommen. Da bekommen sie bestenfalls was von den Erfolgen dieses und jenes Trupps zu hören und daran sollten sie sich …. was sonst?
So etwa geht’s auch in Verkaufsfirmen mit hoher Fluktuationsrate zu. Auch da wird den Opfern der Kopf zugeschissen. Mit irgendwelchen Erfolgsstorys, wahr oder nicht, ist ohnehin nicht nachprüfbar. Und das können sie auch, sie müssen nur ihre Kunden so und so bearbeiten.
Der Unterschied zur politischen und religiösen Sekte besteht darin, ihre Führung setzt sich selbst der Erfahrung an der Basis nicht aus, weiß aber genau wie es da zugeht. Deswegen brauchen sie auch stets neue Deppen, die sie auf Zwangsversammlungen des Arbeitsamts suchen. Schon erlebt.
In solchen Firmen geht’s vielfach zu wie in einer Sekte. Der Unterschied besteht darin, daß niemand daran glaubt, aber jeder tut so als würde er es.
In religiösen Sekten verschwimmt der Unterschied. Jeder tut so als würde er dran glauben, muß ja. Nur weiß man selbst nicht mehr, wer noch tatsächlich an den Unfug glaubt. 
In politischen Sekten, gleich welche Größe sie erreicht haben, muß jeder so tun als würde er dran glauben, denn Zweifel bedrohen die Existenz des Vereins, der ja darauf aufbaut, daß alle an die Dogmen glauben. Und daher wird ab und an auch mal mit Gewalt nachgeholfen, wenn sich einige als weniger fest im Glauben erweisen sollten. Nannte man in einen Fall auch ‚Große Säuberung.‘ Wo sie weniger Macht hatten, wurde halt nur ausgeschlossen. Bei noch weniger Macht gibt’s eben ne Spaltung.
Doch auch im politischen Bereich ist oft unersichtlich, ob die Führung noch dran glaubt, oder nur so tut und längst zynisch geworden ist. 
Aktuell kann man es in China beobachten. Die Ideologie wird noch als Fassade gebraucht, aber niemand glaubt mehr daran. Nur zum Ausdruck bringen darf man es nicht. Man soll eben so tun als wenn.
Oder so ausgedrückt. Ich weiß sehr gut, was ich den Leuten für einen Scheiß erzähle, aber ich bin ja Chef, Vorsitzender oder Oberhirte und im Zentrum der Macht zu sitzen ist ja auch was. War nicht einfach da hinzukommen und sowas gibt man doch nicht einfach wieder her. Und deswegen muß ich den Deppen diesen Scheiß erzählen und wenigstens so tun, als würde ich dran glauben. 
Daran sollten alle denken, wenn wieder mal jemand versucht sie für ihren Verein zu ködern. Nur so als unverbindlicher Tipp.

Siehe auch:
Opium und Speed