Kommunist
und Messie
Kleine Satire.
Mußte man in finsteren Offlinezeiten noch die letzte
verbliebene linke Buchhandlung aufsuchen, um da solch merkwürdiger
Vereinsblättchen wie der Funke oder den roten Maulwurf ansichtig zu werden,
heut kann man das vom Schreibtisch aus erledigen. Kleine miese Offsetblättchen
von denen man sich fragte, wer liest sowas, wer produziert sowas und was denken
die sich dabei?
Da haben wir es heute leichter, kann doch auch der
letzte übrig gebliebene Aufrechte eine Parteizeitung online ins Netz stellen um
damit der linken Gemeinde die politische Grundversorgung zu sichern.
Was hat das mit Messies zu tun? Messies kommt aus
dem englischen Sprachbereich und da von Mess, was sich mit Unordnung übersetzen
lässt. Als Messies bezeichnet man ein Krankheitsbild von Leuten, die nichts wegwerfen
können und ihre Wohnung zumüllen. Gibt es auch linke Messies? Vermutlich ja,
schaut man sich im www so um, man fragt sich woher diese genauen Kenntnisse
stammen mit denen manche so aufwarten. Aus
ihrer jahrelangen und aufopferungsvollen Parteiarbeit
muß sich einiges an Papier angesammelt haben.
Bei ihnen in der Bude biegen sich offenbar die
Regale unter der Last des gedruckten Wortes. Natürlich dürfen die Blauen Bände
nicht fehlen, ebenso wenig alle wichtigen Veröffenlichungen aus der aktiven
Parteizeit. Die Masse linker Literatur unterzieht die Regale einen Härtetest
wie er nie unter Laborbedingungen stattfinden würde. Es stapeln sich die
Parteizirkulare und Streitschriften und gekrönt wird der Stapel vom
Parteiprogramm der längst dreimalgespaltenen, aufgelösten und wiedergegründeten
Partei für Arbeiterklasse und Volk. Es stapeln sich die Zeitungsausschnitte aus
der bürgerlichen Presse, dazwischen die Flugblätter und die Feindpresse der
Konkurrenzparteien, ebenfalls gespalten, verschwunden und im Internet
wiederauferstanden. Nichts wird weggeworfen, alles könnt ja noch wichtig
werden. Im staubigen Graupapier lagern wichtige Sätze und Texte die nur darauf
warten der Menschheit verkündet zu werden. Hier
lagert das ganze argumentative Waffenarsenal für den Kampf um die
Luftherrschaft im Forum. Alles was der Kommunist des Internetzeitalters so
braucht, um im harten gnadenlosen Kampf mit den linken Diversanten bestehen zu
können. Der linke Messie benötigt kein ansprechendes Wohnumfeld, für die
Lagerhaltung der unverzichtbaren Parteidokumente müssen eben Opfer gebracht
werden.
Es genügt, wenn noch Platz für einen Schreibtisch
mit PC, Stuhl und Bett übrig bleibt. Unterm Bett ist ja auch noch Platz für
Hektographiertes, das irgendwann mal zu wichtigen Beweisstücken werden kann um
sie den letzten verbliebenen Gralshütern des heute noch verhassten
Spaltervereins um die Ohren zu hauen. Hier lagert auch viel Hand und
Maschinengeschriebenes, nie veröffentlicht aber wer weiß wozu es mal gut ist.
Sollte an der Wand noch freier Platz übrig sein, dann hängt hier natürlich ein
Parteiplakat das zu einen längst vergessenen ersten Mai aufruft.
Sind das die Orte in denen die nette Webseiten
entstehen in der die letzten Aufrechten der Netzwelt verkünden, es gibt uns
noch? Wir geben nicht auf, wir warten geduldig darauf, daß sich die Massen
endlich erheben um ihnen dann mit einer Partei, einen Parteiprogramm und einer
richtigen Linie gegenüberzutreten und ihnen die Richtung zu weisen.
Wenn sich auf einen Büchertisch an der Uni mal
wieder altes Politmaterial findet oder auf einen Stapel an der Altpapiertonne
landet, weil unverkäuflich, dann fragt man sich, ob wieder mal einer von denen
weggestorben ist.
Saul 05