Mittwoch, 4. Juli 2012

Theorie der Digitalfotographie

Bilddokument am Ende?
Kleine Polemik.
Das Foto als Bilddokument, das Thema ist so alt wie die Fotografie selbst. Bilder sind eine Glaubensfrage. Was fotografiert ist, wird geglaubt. Es ist der Glaube an die Technik. Die Kamera ist imstande unabhängig vom Fotografen die Realität objektiv wiederzugeben.
Im Prinzip mag das stimmen, nur sind die Formen der Beeinflußung genauso alt wie das Medium selbst. Hier haben wir die alte Erkenntnis, inwieweit beeinflußt die Beobachtung das zu beobachtende Objekt. Gerade in der Fotografie kennt man das, verhalten sich Menschen die fotografiert werden genauso wie Menschen die sich für unbeobachtet halten? Schon hier stoßen wir an die Grenzen des objektiven Bilddokuments.
Die Öffentlichkeit will aber Bilder sehen und die sollen möglichst echt aussehen. Die Realität ist aber kein Fotostudio und wartet nicht darauf, bis der Fotograf seine Geräte aufgebaut hat und positioniert sich auch nicht nach einer Bildaussage wie sie der Fotograf haben will. Nun dann helfen wir der Realität eben etwas auf die Sprünge und so stellen wir fest, die Mehrzahl der Bilder mit entsprechender Bildaussage die etwas zu perfekt aussehen, sind eben gestellt. Die Propagandafotografie ist hier ein weites Arbeitsfeld für Bildmanipulation. Was echt erscheint, ist zu oft eine Mischung aus Inszenierung und hinterhältiger Laborarbeit. Ach wie gut das niemand weiß ..!
Nun das war in grauer Vorzeit, heut geht das bekanntlich digital, was keinen großen Unterschied macht.
Unterscheiden kann man zwischen Privatfoto und der gewerblichen Bildproduktion. Der Zwang Bilder liefern zu müssen führt dazu, der Realität etwas nachzuhelfen. Davon sieht der Bildkonsument nichts. Dem werden diese Bilder als echt verkauft und er fragt sich, warum bekomm ich so was nicht hin? Na warum wohl?
Wer die Profis schon mal bei der Arbeit gesehen hat, weiß was dahintersteckt. Vieles ist inszeniert, selbst wenn es um Bilder aus dem Arbeitsalltag geht. Ich konnt s mal beim ID erleben. Da wurde Aufnahmen für s Fernsehen gemacht und einfach filmen was da läuft? Nein, so geht s nicht. Da wurde wiederholt, Anweisungen gegeben bis das so läuft, das es gut aussieht. Darüber macht sich der Endverbraucher meist keine Gedanken, er bekommt ja nur das fertige Ergebnis zu sehen, nicht was hinter der Linse vorgeht.
Das ist eben der Markt, das Volk will Bilder sehen und die Bildindustrie bedient die Nachfrage. Wie, ist nicht von Bedeutung. Wenn ihr Bilder sehen wollt, wir liefern eben und wenn wir nichts Brauchbares vor die Linse bekommen, dann helfen wir eben etwas nach. Nur der naive Konsumtrottel glaubt immer noch, Bilder sind eben einfach Bilder.
Siehe auch: Sturm auf den Winterpalast.

Kamerafutter
Technisch gesehen haben wir gerade in der Fototechnik einige Veränderungen über uns ergehen lassen. Noch hatte der Film nicht ausgedient, die Diggitechnik war noch nicht soweit, da schoben die Werbeagenturen Sonderschichten um dem Volk APS schmackhaft zu machen. Man stand fassungslos davor, es fanden sich genug die der Werbung auf den Leim gingen und dachten, genau das muß ich auch haben. Mittlerweile ist APS Geschichte und entsorgt.
Nun ist die Diggitechnik endlich gebrauchsfähig und die Verbreitung der Rechner plus www führt zu elektronischen Verbreitungen die vorher nur den großen Medien zur Verfügung standen.
Dankenswerterweise hat das Volk der Fotoindustrie die Diggis abgekauft und bekam sogar Fotohandys mitgeliefert. Dies führt fraglos zu Möglichkeiten die man vorher allenfalls im Science Fiktion geboten bekam. Die Zukunft ist gelegentlich schnell Vergangenheit.
Nun haben die Leute also ihre Diggis und können draufhalten was auf die Speicherkarte passt. Und wieder das altbekannte Bild. Neue Kamera, nettes Spielzeug also mal ausprobieren. Nachdem das Übliche abgelichtet ist, Auto, Hund, Bälger, eben das, womit schon in der guten alten Analogzeit die Kameras mißhandelt wurden. Sobald das durch ist, liegen die Dinger wieder rum, verstauben, weil den Knipsern die Motive, oder besser gesagt, die Ideen ausgegangen sind. Irgendwann wissen sie mit ihren netten Spielzeug nichts mehr anzufangen. Das stört die Kameraindustrie nicht weiter, die Leut sollen schließlich die Geräte kaufen, von benutzen hat niemand was gesagt. Fotografieren wollt ihr auch noch? Vergiss es, das erledigen doch die Profis freundlicherweise für euch. Auch noch Veröffentlichung? Nun hörts aber auf, könnt ja jeder angeschissen kommen, wo kämen wir denn da hin?
Etwas gemein ausgedrückt, das ist die eine Seite, aber ganz so schlimm ist es ja nicht. Den Benutzern fällt immer noch was ein und die Möglichkeit nicht mehr auf Filmmaterial Rücksicht nehmen zu müssen, lässt auch Themen entdecken und abhandeln, die man früher eher wenigen Profis überlassen hat.
Zudem hat sich auch das Bildverhalten verändert. Man sieht es bei Großveranstaltungen, die Kameradichte scheint regelrecht explodiert zu sein. Auch auf die Demokultur hat es Auswirkungen. Früher fotografierte nur Presse, Polizei und eine handvoll selbstbeauftragte Dokumentaristen auf Demos. Der Rest hatte gar nicht erst eine dabei und meist wollte man keinen Ärger riskieren. Die Bildparanoia war durchaus real und setzte sich in den Köpfen fest. Irgendwann wurde es zum unhinterfragbaren Dogma, auf Demos wird nicht fotografiert, Punkt.
Seit es handliche Diggis gibt und sogar Handycams, lässt sich kaum vermeiden, das die Beteiligten auch ein eigenes Erinnerungsbild haben wollen.
Das sah man deutlich bei den Studentenprotesten. Die Leut haben s auf die Autobahn geschafft und stehen oder sitzen da wo normalerweise die Kisten durchbrettern, oder sich stauen. Verständlich das sich nicht wenige sagen, davon hätt ich gern ein Bild, weil was ich hier vor mir sehe, bekomm ich nicht alle Tage zu sehen und ich bin mitten drin. Es gab Zeiten, da hatte man dafür keine Kamera dabei und wenn, die bei so einer Aktion zu benutzen könnte Ärger geben. Heute greifen die Leut zur Handycam und halten drauf, als hätten sie nie was von einen Fotoverbot gehört.
PS; Der letzte Aufstand gegen die Pseudoprofibilder liegt nun schon etwas zurück. Das war die Lomobewegung deren Bilder mittlerweile auch im www zu sehen sind. Das Prinzip der Wegwerfbilder. Einfach draufhalten, die Bilder billigstmöglich abziehen lassen und sich keine Gedanken über Schärfe und Qualität machen. Hier wurden Massen an Bilder produziert und sogar veröffentlicht, die ein Fotograf vorher nie einer Zeitung oder Agentur anzubieten gewagt hätte, er wäre unten durch gewesen. Da und dort scheint die Lomo noch in Gebrauch, mittlerweile wurde sie durch die Kompaktdiggi bzw, die Handycam abgelöst und damit werden heute die Wegwerfbilder produziert, nur eben in digitaler Form.



Dies ist eine Textsammlung zusammengestellt aus Einzeltexten, daher wiederholt sich einiges. Einer der wenigen Abhandlungen über die Digitalfotographie, die sich mit den gesellschaftlichen Auswirkungen befasst, jenseits der Fototechnik.
Saul 2008



Fotogedicht

Fotobücher in großer Zahl studiert.
800 € in Kamera investiert.
Fotoblätter viele gelesen.
Alles umsonst gewesen.
Fotos wolltst machen.
Drüber taten sie nur lachen.
Auch mal wie die Profis schaffen.
Drauf kannste eine paffen.
Im Web stellt er die Werke vor.
Sie grinsen nur, du armer Tor.
Langweiliger Schrott hochaufgelöst.
Beim Anschauen sind sie eingedöst.
Megapixelweise Speicherplatz verschwenden.
Das Volk tut gelangweilt sich abwenden.
Wer macht die interessanten Bilder?
Wo scheint das Licht weit wilder?
Die Jungen sinds oft, mit ihren Billiglinsen.
Die machen Pics zum Grinsen.
Nehmen es nicht ernst, recht haben sie.
Lichten ab ihr Katzenvieh.
Verwackelt und verschwommen.
Das sei ihnen unbenommen.
Und doch ein Bild wie man es selten sieht.
Über das der Profi die Schnauz verzieht.
Spielen mit dem Handy rum.
Nur der Fotorentner der bleibt dumm.
Was er nicht kapiert, das Spießerhuhn.
Kreativ hat nichts mit Perfektion zu tun.