Montag, 2. Juli 2012

Sektendenken

Sektendenken

Innerhalb weiter Teile der Linken, besonders der jugendlichen Bewegungslinken ist sektiererisches Denken weit verbreitet, ohne das die Beteiligten es merken. Hier wiederholt sich die Geschichte. Bereits die Spontis hielten sich, als Gegenentwurf zu den ML - Parteien, für ach so undogmatisch. Tatsächlich hatten sie nicht weniger Dogmen und Vorurteile. Eine Durchsicht der heutigen linken Seitenprojekte der vorgeblich undogmatischen Bewegungslinken genügt, man findet hier Dogmen, unhinterfragte Vorurteile und zu unangreifbaren Wahrheiten erklärte Behauptungen in Magabitgröße.

Seitenaussteiger und neues Sektierertum

Anfügen lassen sich diejenigen, die zunächst die alten Fehler vermeiden wollten. Vielfach ML Ausgestiegene oder tatsächlich Arbeiterjugendliche, die vieles ausprobierten und unter neue soziale Bewegung eingeordnet wurden. Einen Teil davon bildeten die Autonomen, die auf Aktion setzten, weniger auf Propaganda und Predigt und die im überschaubaren Rahmen was bewegen wollten, ohne sich gleich in eine abstrakte globale Kampffront einzubinden.
Die Übergänge  unter Knastgruppen, Antiimps und Leute mit ideologischer Nähe zur RAF waren fließend . Hier kam sektiererisches Denken wieder zurück und dies lässt sich an einen Fall verdeutlichen.
Aus den Vorgängen der späten 80er gibt es Texte, die zwar weniger verdeutlichen, was in der Zeit politisch von Bedeutung war, umso mehr, wie eine bestimmte politische Richtung diese Zeit wahrgenommen hat.
Die Bewegungen die 80/81 ihren Höhepunkt hatten, waren zwar nicht schlagartig zuende, doch in den nachfolgenden Jahren errichten Aktionen bei weiten nicht mehr die alte Stärke. Doch nicht für alle war die Party vorbei.
Aufruhr, Widerstand - es gibt kein ruhiges Hinterland.
Ein Spruch der auf der Demo zwar stets gut rüberkommt, doch wenn man versucht diesen Spruch 1:1 umzusetzen, das kann nicht gutgehen und zudem setzt die Realisierung ein fragwürdiges Realitätsbild voraus. Man fühlt sich in einem von den USA besetzten Hinterland, von dem aus die Befreiungsbewegungen der dritten Welt bekämpft werden. Von diesen Hintergrund ausgehend konnte man solche Zeilen verfassen.
"Die Mitte der achtziger Jahre waren in Westeuropa von einer Intensivierung militanter Kämpfe geprägt, die sich vom punktuellen Protest zum umfassenderen Widerstand entwickelten.
In diesem Zusammenhang gewann die Rote Armee Fraktion (RAF) und der Kampf der Gefangenen zunehmend an Bedeutung. ......
Der Hungerstreik der Gefangenen aus RAF und Widerstand im Winter 84/85 für ihre Zusammenlegung war von einer starken militanten Mobilisierung begleitet. Sie war darauf orientiert - über die Verbesserung der Haftbedingungen der revolutionären Gefangenen hinaus - die Vorstellung einer revolutionären Front in Westeuropa umzusetzen und weiterzuentwickeln."

Diese starke Mobilisierung fand allenfalls Szeneintern statt.
......"1985 führten Guerilla und Kämpfende Einheiten eine Reihe Aktionen gegen NATO-Strukturen durch, mit der die imperialistische Kriegsvorbereitung und -führung behindert und unsicher gemacht werden sollte.
Parallel dazu nahmen die verschiedenen Mobilisierungen und Massenkämpfe gegen Großprojekte wie NATO-Startbahn-West und die Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf an Intensität und Militanz zu."

Hier werden Gemeinsamkeiten beschworen, die es nicht gab. 85 war die Startbahnbewegung weitgehend vorbei, zudem glaubte nur eine Minderheit an die Geschichte von der NATO Startbahn. Mal davon abgesehen, die kaum wahrgenommenen Anschläge hatten nichts mit den "Massenkämpfen" zu tun. Das waren zwei Welten und die notorischen Bekennerschreiben wurden nur von eine Minderheit wahrgenommen. Zudem wurden diese Anschläge eher als Zeichen von Schwäche gesehen. Sowas hat man nur nötig, wenn man auf der Straße keine Leute mehr zusammenbringt. Solange man am Tag offen agieren konnte, mußte niemand Nachts irgenwas in die Luft sprengen.
"Weite Teile der Linken waren von einer Aufbruchstimmung erfaßt und davon überzeugt, daß die Möglichkeit des Sieges existiert; zumindest rückte eine grundlegende Veränderung des weltweiten Kräfteverhältnisses für die Seite der Befreiung für viele in den Bereich des Möglichen."
Wenn sich diese Aufbruchsstimmung auf 86 beziehen sollte, dann muß die Mehrheit der Linken in einer Parallelwelt gelebt haben. Von der Normalbevölkerung sollte man hier besser nicht erst anfangen. Wer seinerzeit dabei war, kann sich kaum an derartige Geschichten erinnern. Es ist möglich, das eine kleine Gruppe Nachzügleren oder Durchfeiernden eine Aufbruchsstimmung sahen oder herbeifantasierten. Im Alltag war davon wenig zu sehen, doch kleine Gruppen, die ihre Kleinaktionen zum Maßstab machen, neigen dazu diese zu Menschheitsfragen zu überhöhen und sich einzubilden, die rauchenden Mülltonnen auf der Straße waren ein historisches Ereignis. Etwa so, wie eine Kleinsekte glaubt, auf ihrem Parteitag mit wichtigen Beschlüssen, von denen kaum ein Mensch was erfahren hat, sei grade ein neues Kapitel in der Geschichte der Arbeiterbewegung geschrieben worden.
"Die Schüsse an der NATO-Startbahn-West am 2.11.1987 bzw. vor allem die große Unsicherheit der darauf folgenden Repressionswelle gegenüber machten deutlich, daß der Staatsapparat dem Widerstand hier auf einem Niveau begegnete, auf das jener nicht vorbereitet war."
So liest sich alternative Geschichtsschreibung? Wer irgendwie dabei war, hat andere Erinnerungen. Die Startbahndemo war nur noch ein Ritual mit gegebenen Ablauf, das zu bestimmten Jahrestagen stattfand. Von einer Bewegung konnte man nicht mehr reden. In dieser Situation gaben die Schüsse (die allgemein als verantwortungslose Aktion gesehen wurden) der Restbewegung buchstäblich den Rest. Sie zerfiel in ihre Bestandteile und war kaum zu aktiver Gegenwehr fähig. Es dauerte einige Zeit, bis sich die Beteiligten davon erholt hatten und wenigstens den Betroffenen klarmachte, ihre Klappe zu halten. Zudem dauerte es etwas, bis die Linke in der Region wieder halbwegs aktionsfähig wurde.
Die Sektiererideologie vom Kampf im Herzen der Bestie und der globalen Kampffront in der sich auch noch eine kleine Sprühaktion einreiht, hat es zwar mittlerweile ins Netz geschafft, dafür besteht kein Grund, diesen Unfug ernst zu nehmen. Wegen dieser Auseinandersetzung knallte es bereits 81, als einige RAFfans und Antiimps diese Ideologie in der Autonomenszene durchdrücken wollten. Eine Ideologie, welche die Beteiligten auf Kräfte, Klassen, kämpfende Gruppen usw. reduziert und sie nicht mehr als Menschen wahrnimmt sondern nur noch als gesellschaftliche Kategorien, die sich in den großen Kampf einzuordnen haben. Soll heißen, die Menschen stellen nur Bestandteile des Getriebes dar, die dazu dienen, im revolutionären Prozeß zu funktionieren. Eine derart menschenverachtende Ideologie ist nicht mehr weit vom Stalinterror und  Arbeitslagern entfernt.