Montag, 2. Juli 2012

Dienstleistung

Dienstleistung

Hintergrund

Die Intellektuellen sollen der Arbeiterklasse dienen. In dem Fall wird Arbeiterklasse mit der Partei übersetzt und Mao hat dies in dem Satz, dem Volke dienen gegossen. Letztlich bedeutet dies, die Denker sollen das nutzlose Denken einstellen, es besser der Partei überlassen und wenn sie überhaupt eine Existenzberechtigung haben, dann sollen sie die Parteibeschlüsse theoretisch untermauern.
Die Partei hat die Theoretiker kanonisiert und deren Schriften sind über alle Zweifel erhaben. Schriften anderer Denker welche die Dinge etwas anders sahen und alternative Wege entwickelten, stehen auf dem Index, dies ist wie in der Kirche.
Eine Marxkorrektur, ob die Arbeiterklasse mit ihrer historischen Mission, nicht nur ein auf Papier entstandenes Konstrukt ist, widersprach dem amtlichen Marxismus und im Machtbereich, mit marxistisch/leninistischer Staatsdoktrin, konnten solche Vermutungen ungesund werden.
Zu den Intellektuellen zählten auch die Künstler, diese sollten mit Farbe und Stift dem Volke dienen. Netter Trick, denn letztlich dienten sie der Parteipropaganda und schufen solche Meisterwerke wie die heute noch gern gesehenen Propagandaposter, oder auch die Standbilder, von denen viele nach der Wende entsorgt wurden.
Die Basisdenker der Ideologie waren zwar zweifelsohne Kleinbürger, Intellektuelle, Engels sogar großbürgerlicher Herkunft, doch denen wurde dies nachgesehen, sie waren über alle Zweifel erhaben, im Gegensatz zu den Nachfolgern, die stets unter Legitimationsdruck standen und ihre Brauchbarkeit für die Partei, erst unter Beweis zu stellen hatten.
Im Stalinismus wütete daher auch eine Intellektuellenfeindschaft die alle traf, die sich nicht anpassten oder verdächtig erschienen. Diese Erfahrungen brachten viele dazu, zu Renegaten zu werden und sich von diesem System abzuwenden, G.Orwell ist, besonders mit seiner Schrift 1984 ein bekannter Fall.

Lobgesänge

Andere wieder passten sich an und verfassten Loblieder auf Stalin. Gerd Koenen (ex KBW und einer der genau diese Politik lange vertrat) fasste dies in dem Buch, die großen Gesänge zusammen.
Etwas zu viele, ansonsten helle Köpfe, ließen ihr Hirn unter Vollast laufen, verfeuerten Tinte und Papier um Lobeshymnen auf ein System zu verfassen, dessen Brutalität auch für weniger belesene Zeitgenossen unübersehbar wurde.
Der durchschnittliche Leser der Roten Fahne (dem Original) glaubte an Stalin und der SU, er mußte es wohl. Was blieb dem anderes übrig? Die Schreiber der Lobesgesänge und Berichterstatter der Moskauer Prozesse hätten es besser wissen können. Sie wollten es wohl nicht.
Bei Wikipedia liest sich dies wie folgt:
Die Moskauer Prozesse können als eine der ersten größeren Krise des Sowjetsystems mit Außenwirkung auf den Unterstützerkreis an vornehmlich intellektuellen Sympathisanten im westlichen Ausland angesehen werden. Angesichts der unmittelbaren Bedrohung durch den Nationalsozialismus in Mitteleuropa war dieser Effekt allerdings weniger bedeutsam als etwa jener des Ungarnaufstandes 1956 oder der Intervention des Warschauer Paktes in der Tschechoslowakei 1968. Führende kommunistische Intellektuelle wie Louis Aragon, Ernst Bloch, Lion Feuchtwanger, Ernst Fischer rechtfertigten die Prozesse, in Unkenntnis der tatsächlichen Vorgänge.
Bis es ein böses Erwachen gab, als Stalin geflüchtete Hitlergegner an Deutschland auslieferte, auch mit dem infamen Satz, mit ihnen rechnet die deutsche Arbeiterklasse ab.

Geschichtsverlierer

Was sollte man auch machen? Allein war man machtlos, besonders angesichts des unaufhaltsamen Faschismus und so blieb eben nur die reale Macht und das war eben Stalins SU und die diversen KPs. So verkaufte man eben das Wort an die Macht und hielt trotz allem zur Sowjetunion, weil sie, besonders im Zweiten Weltkrieg, ohne Alternative schien.
Hinterher stellte der Ostblock die reale Gegenmacht zum Kapitalismus dar, was blieb übrig, als dafür Partei zu ergreifen und über die Verlierer dieses Systems zu schweigen? Die hatten halt Pech gehabt, war eben historisch notwendig, es diente ja der guten Sache und wo gehobelt wird, da fallen Späne. Wenn es nur Späne gewesen wären.

Neue Linke

Von all diesen Geschichten waren die Demonstranten 68 ja zunächst unbelastet, weil selbst nicht beteiligt. Es bestand die Möglichkeit, trotz fehlender Machtmittel der Versuchung zu widerstehen, sich wieder an eine real existierende Macht auszurichten. Es kam bekanntlich anders. Die versteinerten Verhältnisse und die offenkundige Machtlosigkeit einer Bewegung, die allenfalls die Strasse hatte und keine Zustimmung in der Bevölkerung, führte dazu, sich imaginäre Bündnispartner zu suchen. Etwa die antikolonialen  Bewegungen in der dritten Welt und sich mit diesen in einer Front gegen den Imperialismus zu sehen. Imaginär deswegen, weil es diese gemeinsame Kampffront gar nicht gab, sie blieb eine Fiktion. Eine notwendige um überhaupt handeln zu können? Spätestens als die Bewegung sich mit sozialistischen Staaten gemein machte, wahlweise der SU, DDR oder China, gaben viele den eigenständigen Gedanken zugunsten der taktischen Parteinahme auf.
Anzumerken wäre noch, die 68er Bewegung wurde hinterher als Gegenentwurf zum späteren Dogmatismus gesehen. Der hippen Kulturrevolution folgte der dogmatische Backlash, so die Mär.
Wie bekannt, stimmt dieses Bild so nicht. Dogmatismus, Realitätsblindheit, Strenge in der Überzeugung bei gleichzeitigen inkonsequenten Verhalten, das war keine Bewegung von Heiligen und reinen Idealisten und von wegen antiautoritär, das war eher ein Mythos. Sie war vielgestaltig genug, das die spätere Entwicklung bereits da angelegt war.  „Liquidierung der antiautoritären Phase“ hieß es dann auch, als diese Bewegung zerfiel, fraglos aus dem stalinistischen Sprachgebrauch entnommen und hier entstand der Mythos von der antiautoritären Bewegung, die freilich ebenfalls ihre Sprecher, Leithammel und Strukturen hatte.
Zudem, bemerkenswert ist, die Außenwahrnehmung im Osten. Solange es ins ideologische Konzept des kalten Krieges passte, wurden die 68er Demos von der DDR etwa, gerne als Beweis gegen die BRD angeführt, einschließlich der entsprechenden Fotos. Nachdem man die DKP hatte, bestand dafür kein Bedarf mehr und diese Bewegung, auch in Frankreich oder Italien, wurde abgekanzelt. Sie wären schlechte Verbündete der Arbeiterklasse gewesen und hätten, etwa in Frankreich, wo es sogar einen Generalstreik gab, der Arbeiterklasse geschadet. So die DDR Geschichtsschreibung. Danach wurde in der DDR die Opposition in der BRD auf die DKP plus Anhang reduziert, vom Rest der Linken erfuhr der Leser der Staatspresse in der Zone nichts.
Schon dies hätte zu denken geben können. Solange sie nützlich schienen, berichtete die Ostpresse zustimmend, doch sie traute keiner Bewegung über den Weg, die sie nicht unter Kontrolle hatte. Eine Haltung, die sich später bei den K-Gruppen wiederholte, die ebenfalls keiner sozialen Bewegung trauten, die nicht von ihnen angeleitet wurde. Im Gegenteil, sie wurde schnell als kleinbürgerlich diffamiert, besonders wenn sie, wie etwa die Anti AKW Bewegung, sich nicht in der traditionellen Kampffront der Arbeiterklasse, von Arbeit und Kapital, bewegte.
Als 68 die Studenten auf die Strasse gingen, galten sie per Definition als Intellektuelle. Zudem auch noch kleinbürgerliche Intellektuelle und am Ende sahen sie sich auch selbst so. Besonders nach dem Studium des Marxismus/Leninismus. Studenten hatten zu der Zeit noch einen anderen Stellenwert, sie galten als die künftige Mittelschicht, mindestens und das die Arbeiter dem Treiben mit Mißtrauen begegneten, ließ sich nicht vermeiden. Sind das nicht unsere künftigen Vorgesetzten? Was erzählen die uns dann? Zudem hatten die Arbeiter das Negativbeispiel DDR vor der Nase und waren kaum für linke Theorien zu begeistern. Das es nicht nur Studenten sondern auch Jugendliche waren, die nicht in die üblichen Raster passten, nun wenn erstmal die Propaganda dröhnt, dann ist für solche Feinheiten ohnehin kein Platz.

Arbeiterklasse und Linke

Die Ablehnung der Bevölkerung, besonders das Mißtrauen der Arbeiter, führte bei vielen zu einiger Verwirrung und dann zu einer freiwilligen Unterordnung unter die Arbeiterklasse oder wenigstens unter deren vorgeblichen Interessen. Nun ist die Arbeiterklasse zunächst ein abstrakter Begriff, sie hat weder Adresse noch Stimme oder eine einheitliche Meinung. Die Arbeiterklasse ist ebenso wenig eine Person wie der Markt, die Fußgänger oder die Autofahrer. Man kann sich der Arbeiterklasse nicht unterordnen. Allenfalls einer Projektion.
Genau dazu kam es. Mit der leninistischen Wende und der Beendigung der kleinbürgerlichen antiautoritären Phase fand dies seinen Organisationsrahmen in Form einer Gründungswelle von ML - Zirkeln aus denen die Partei der Arbeiterklasse entstehen sollte. Bereits diese Veranstaltung hatte konspirativen Charakter und hier entstanden die Grundlagen einer hierarchischen Parteistruktur, eines Führungskerns und einer Basis von ausführenden Genossen, die das Denken der Führung zu überlassen hatten.

Proletenkult

Hier entstand auch die deterministische Ideologie von der proletarischen und studentischen Herkunft, die man problemlos als eine Form von sozialen Rassismus bezeichnen kann. Ein Sozialrassismus, den man eher aus feudalen Zeiten kennt.
Hier könnte man auch von einer Geschichtsvergessenheit reden, ausgerechnet in Deutschland, in der die Herkunft noch vor kurzer Zeit mörderische Folgen hatte.
Die Menschen werden nicht mehr als Einzelpersonen wahrgenommen, die eigene Entscheidungen zu treffen haben, sondern als Bestandteil eines Kollektivs, in deren Maßstab sie zu denken und zu handeln haben.
Parteiorganisation
Andere gingen gleich in die frisch entstandene DKP, da hatte man die Arbeiterklasse der man sich unterordnen konnte, glaubten sie. Es war aber nur die Partei, zudem eine recht klein geschrumpfte Ausgabe und sie vertrat weniger die Interessen der Arbeiterklasse, sondern eher die ihres Brötchengebers, der SED und war eben eine klassische Parteiorganisation mit bereits in der Illegalität entstandenen Strukturen.
Nach dem Ende von 68 glaubten viele, was nützen Argumente, wenn man keine Organisation hat? Die Partei  fehlte und mit der Übernahme der Ideologiesammlung der letzten 150 Jahre, blieb es nicht aus, die ganze Sammlung von Ideologien in Kleinsekten zu organisieren. Dazu kam noch die kommunistische Kirchenspaltung und der Maoismus. Es blieb also nicht bei den unvermeidlichen Trotzkistensekten, dem gegenüber gründeten sich die Maosekten.

Maoismus

Aus China war einiges über die Kulturrevolution  zu erfahren, doch die Infos wurden gefiltert wahrgenommen. Nach einer Hasspropaganda gegen geistige Arbeit in der Kulturrevolution, wurden Schüler und Studenten auf s Feld geschickt und ruhiggestellt. Je mehr jemand liest, desto dümmer wird er, so hieß es da. Darüber wurde hinweggesehen, eine Partei, die eine Revolte gegen sich selbst auslöste um verknöcherte Parteistrukturen aufzubrechen, schien zunächst beeindruckend.
Nicht zu vergessen, am schlimmsten wütete der Intellektuellenhass in Kambodscha, wo bereits eine Brille lebensgefährlich werden konnte. Markanterweise von einer Führung befohlen, die selbst in Paris studiert hatte. Bekanntlich wollte die Mehrzahl der Linken davon nichts wissen, sie konnten es einfach nicht glauben. Zuviel an Überzeugung und Projektion eigener Wünsche hatte man in Indochina investiert. Das konnte nur imperialistische Propaganda sein.
Die frischgegründeten ML Sekten fanden jedenfalls in der Kulturrevolution ihr Vorbild und schickten ihre Mitglieder in die Betriebe. Da sollten sie ihre kleinbürgerlichen Gewohnheiten abarbeiten und die wirklichen Bedürfnisse der Arbeiterklasse kennenlernen, die nichts mit abgehobenen Theorien zu tun hatten. Witzigerweise hatten sie auch mit weniger abgehobenen Theorien wenig zu tun, eher mit Bild, Fußball und Hass auf alles was nach links roch.
Allzu erfolgreich war die Fabrikverschickung zwar nicht, dafür konnten die ML Sekten sich was auf ihre Verankerung in der Arbeiterklasse einbilden, selbst wenn diese nur Fiktion blieb.
Oder sich gleich einbilden, die Interessen des Volkes zu vertreten, was besonders dem KBW gelang. Da waren es freilich gleich die Volksmassen. Mit weniger als Massen gab man sich nicht ab. Das sich weder Arbeiter noch Volk, davon besonders beeindruckt zeigten störte nicht weiter, wenn man sich in eine Scheinwelt eingeigelt hat.
Mit der Zeit störten sich einige doch daran, besonders wenn sich herausstellte, das die Wirkung dieser Politik gegen Null ging oder der Parteizusammenhang diente nur noch als Basis für den Machtkampf innerhalb der bedeutungslosen Linken. Dies hielt manchen zu lange bei der Partei, denn was bist ohne Verein?
Trotzdem schafften viele diesen Schritt und nahmen den fiktionalen Machtverlust in Kauf. Allein hat man keine Stimme und kann sich innerhalb der Linken kein Gehör verschaffen? Im Parteizusammenhang hat man ebenso wenig eine Stimme, man hat eine Parteizeitung, doch ist das die eigene Stimme? Kann man sich zeitweilig einbilden.
Um überhaupt wieder selbständig Denken zu können, war es hilfreich, diesen Zusammenhang zu verlassen.
Was nützt es, sich den Interessen der Arbeiterklasse unterzuordnen, bis zur Leistungsgrenze Parteiarbeit zu leisten, wenn die Zielgruppe diese Mühen mit Ignoranz abstraft, bestenfalls.

Ausstieg

Nicht verwunderlich, wenn nach etlichen Jahren der Verirrung viele einfach auf dieses Zeug pfiffen und sich den Job wählten, der ihnen offen stand. Um den ständigen Rechtfertigungszwang zu entgehen, hielten sie einfach die Klappe und schwiegen über diese Jahre. War eben eine jugendliche Verirrung. Vielen ist es bis heute peinlich und angesichts der Anzahl der Beteiligten, hört man nur von Wenigen eine Aufarbeitung. Besser den Mund halten und nie dabeigewesen sein, abgesehen von denen, die an führender Stelle beteiligt waren und es schlecht verschweigen können und zudem bis zum Schluß dabei blieben. Sie hatten was zu verlieren, wenn auch nur ihre Führungsposition in einen Kleinverein, ihr Privilleg in einer Zeitung schreiben zu können bzw. die Illusion, nicht irgendwer zu sein.
Diese Kleinbürger und Verräter, denen hätte man schon damals nicht trauen sollen. Haben wir es doch gleich gewußt und so stand es ja auch in den Texten der Partei zu lesen. Die Partei, die es den Adressaten hinterherrufen könnte freilich ist schon lange nicht mehr existent.
Na fast. Da es heute noch traurige Überreste gibt, die sich online zu Wort melden, kann man zumindest im Internet genau diese bitteren Vorwürfe an die beredsamen Studenten lesen, welche die Partei liquidiert hätten.
Sektierer in www Zeiten
Diese Form von Geschichtsschreibung liest sich im Jahre 09 wie folgt bei der MLPD:
"Die kleinbürgerliche "ML-Bewegung" der 1970er Jahre desorientierte und desorganisierte die wichtige Aufgabe des Wiederaufbaus der revolutionären Arbeiterpartei in Deutschland mit ihrem penetranten Dogmatismus, Revisionismus, Sektierertum und kleinbürgerlichen Allüren. Zuvor schon hatte bereits nach 1956 die einstmals revolutionäre KPD im Windschatten der KPdSU und der SED ihren revolutionären Charakter aufgegeben. Gegen die Dominanz kleinbürgerlicher Studenten musste der proletarische Weg des Parteiaufbaus durchgesetzt und eisern verwirklicht werden. Die Masse dieser kleinbürgerlichen Studenten kapitulierte vor dieser Aufgabe, die eine entschiedene Umerziehung und damit den Abschied von kleinbürgerlichen Allüren erfordert hätte. So fand sich in den 1980er Jahren ein Großteil von ihnen in der kleinbürgerlich-ökologischen Partei der Grünen wieder, löste ein gefährliches Liquidatorentum und eine große Demoralisierung in der kleinbürgerlichen "ML-Bewegung" aus. Nur wer mit der kleinbürgerlichen Denkweise fertig wurde, konnte für den Aufbau der revolutionären Arbeiterpartei gewonnen werden."
Man fragt sich, in welcher Parallelwelt jemand leben muß, um solche Zeilen im Jahr 2009 zu verfassen. Viel gab es um 80 rum von den ML Sekten nicht mehr zu liquidieren, da war nur noch der harte Kern dabei, die Führung und die Gewohnheitstiere. Man konnte es besichtigen. Zu eigenständigen und wahrnehmbaren Außenaktionen waren diese Vereine in den 80ern gar nicht mehr imstande, es fehlte das Personal.
Hier ist zu sehen, das es sich keineswegs um eine alte abgeschlossene Geschichte handelt. Dies hat freilich auch was mit dem Internet zu tun. Für die ehemals Beteiligten ist das eine abgeschlossene Geschichte, fern und fremdartig. Mit ihrem aktuellen Leben haben diese ideologischen Fragen nichts mehr zu tun und hinterher fragten sich viele verwundert, wie sie sich derart verbissen mit Fragen befassten, die außerhalb des engen ML Mikrokosmos absolut keinen Sinn ergeben. Zudem gab es wenig Anlass, sich noch damit zu befassen. Die verbliebenen Vereine veröffentlichten zwar noch, doch Auflage und Verbreitung waren so bedeutungslos, das nur wenige Leser überhaupt noch von der Existenz dieser Vereine und ihrem Graupapier wußten. Und selbst wenn, es gab keinen Grund, diesen Unsinn zu lesen. Live konnte man es an den wenigen Orten erleben, wo solches Papier noch zu sehen war. Zumeist am 1. Mai oder bei diversen Demos, die noch einige Zeitungsverkäufer anziehen. Niemanden der noch halbwegs bei Verstand ist, sind diese Blätter eine müde Mark wert. Allgemein wird dieses Ideologiepapier schlicht und ergreifend ignoriert.
Doch seit es im Internet leicht zugänglich geworden ist und jeder Kleinverein mittels einer Webseite zumindest seine Existenz nachweisen kann, kommt dieser Unfug wieder in die Welt. Verbreitet von seltsamen Zeitgenossen, die sich gegen jede Erfahrung und Erkenntnis sperren. Auf einmal ist die Vergangenheit wieder präsent, so könnte man meinen.
Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied. Mit Papier kann man schlecht diskutieren, man kann schlecht widersprechen. Im Internet ist die Sprachlosigkeit, die früher oft beklagt wurde, kein Thema mehr. Jeder kann sich irgendwo zu Wort melden und im Internet kann eine von Enzelpersonen erstellte Seite durchaus auf Augenhöhe mit der Seite einer Kleinpartei liegen. Denn beide sind mit einem Klick erreichbar.
Man darf sich zu Wort melden, es besteht kein Grund, Unsinn unwidersprochen zu lassen, besonders wenn man es besser weiß.
Andererseits scheinen es viele für unter ihrer Würde zu halten, sich überhaupt noch mit diesen Quatsch abzugeben. Nur wenige Exgenossen haben zu den Fragen des Parteiaufbaus oder dem Kampf zwischen proletarischer und kleinbürgerlicher Linie noch etwas zu sagen. Wenn sie solche Seitenprojekte überhaupt zur Kenntnis nehmen, dann klicken sie diese nach einigen verwunderten Minuten weg und vergessen den Unsinn.
In der Welt draußen war das mal zu besichtigen. Als die MLPD der in Gründung befindlichen WASG/die Linke ein Angebot zur Vereinigung unterbreitete und dieses nicht einmal beantwortet wurde. Fraglos die richtige Entscheidung, eine Sekte einfach zu ignorieren.
Genau dies tut die Mehrzahl der "Kleinbürger", zumindest nach ML Sprachgebrauch, auch wenn sie weder Kneipenwirt noch Selbstständige sind, sondern nur Angestellte, möglicherweise als Lehrer im Staatsdienst.
Selbstverständlich gibt es nach wie vor auch die Vorwürfe an die ehemaligen Aktivisten, die bei den Grünen Karriere gemacht haben und da könnt man glauben, da haben wir ja den Beweis. Früher trugen sie KBW Transpis, heute ist einer Ministerpräsident. An den Adressaten freilich prallen solche Vorwürfe ziemlich wirkungslos ab. Kann man ihnen auch schlecht verübeln, sie kennen diese Sorten von Verratsanschuldigungen gut genug und noch besser, die dahinterstehenden Klassikertexte, die sie lange genug selbst vertraten.
Kann man eine Ideologie verraten, wenn deren Staatsform im Ostblock diese von selbst erledigt hat? Das wäre etwa vergleichbar, einen Christen noch seinen Kirchenaustritt vorzuhalten, wenn der Papst sich selbst zum Atheismus bekennen würde.

Neue Dogmatiker

Jedenfalls gibt es im Netz noch Glaubensbrüder, die genau dies vertreten und für die ist die Geschichte des Parteiaufbaus auf marxistisch/leninistischer Grundlage noch nicht zu Ende. 150 Jahre Arbeiterbewegung schmeißt man ja auch nicht einfach weg, aber die Leichen aus dem Keller räumen? Never, auf die bürgerliche Propaganda fallen wir nicht herein. So bleibt es nach wie vor ein recht aussichtsloses Projekt. Dafür haben sie wenigstens ihren Webauftritt.
Hat sich der Mao-Kult nicht längst von selbst erledigt? In China  irgendwo schon, er dient nur noch als Fassade für die Parteimacht. Für Trauervereine wie der MLPD ist diese Geschichte noch nicht beendet, die trauern nach wie vor dem China Maos nach, das für sie nach wie vor Leitbild ist.
Entristen
Anders freilich sieht es in der Partei der Linken aus, die ja einige Bedeutug erlangt hat. Die kann man kaum als Sekte bezeichnen, dafür ist bekannt, das etliche Altsektierer oder Immernochsektierer hier eine neue Heimat gefunden haben und der Partei mit ihren traditionellen Politikvorstellungen regelmäßig unerwünschte Medienaufmerksamkeit verschaffen. Ob antiimperialistische Parteinahme, die alte Frontstellung im Nahostkonflikt (siehe Gazaflotte), DDR Nostalgie und Mauerrechtfertigung, stets setzen sie die Partei damit unter Legitimationszwang. Von diesen Traditionalisten ist keine Aufarbeitung zu erwarten und deren Leichen der Geschichte bleiben im Keller. Tragischerweise, je mehr die Mainstreammedien drauf prügeln, desto mehr verschanzen sie sich hinter ihren alten Parolen. Sie fürchten um ihre Identität. Wenn einen schon die Wirklichkeit auseinandergebrochen ist, dann scheint die eigene Überzeugung (egal wie falsch oder richtig) die letzte Bastion zu sein, die erbittert gegen jede Realität verteidigt werden muß.
Zudem ist dies nicht mehr nur eine westdeutsche Geschichte, mit dem Mauerfall sind aus der ex DDR auch eine Menge Altgenossen übrig geblieben, die es noch einmal versuchen wollen. So erfährt der interessierte Leser bei den Kommunistischen Initiative, das wir den dünnen Faden der Erfahrungen der Arbeiterbewegung zu bewahren haben, sonst müssten künftige Generationen wieder bei Null anfangen. Bei diesen Erfahrungen geht es natürlich um die alten Fragen von Revisionismus, Reformismus und Co. und nicht zu vergessen, um die unzuverlässigen Genossen zweifelhafter Klassenherkunft, denen das Desaster des Zusammenbruchs des Ostblocks zu verdanken wäre.
Echt eine reife Leistung, wenn dies stimmen sollte, man könnte auch meinen, wenn einige in ihrer Haltung zur Arbeiterklasse ungefestigte Kleinbürger ein ganzes System zum Einsturz bringen können, dann muß es wohl schon vorher morsch bis zum Anschlag gewesen sein.

Alte Fronten

Jedenfalls halten diese Genossen an den alten Auseinandersetzungen zwischen Links- und Rechtsabweichlern, Liquidatoren und Revisionisten fest, wie sie Lenin beschrieben hat, weil sonst jedes Parteiprojekt scheitern würde, wenn man nicht ab und an mal eine große Säuberung veranstaltet.
Ein Land, einmal kommunistisch geworden, bleibt es auf Ewigkeit, so glaubte man. Das der Kommunismus an sich selbst scheitern würde und keineswegs durch eine Konterrevolution (etwa durch Weißgardisten oder Freikorps) beseitigt werden könnte, sondern vom Volk selbst, das war in der Tat eine traumatische Erfahrung, die viele bis heute nicht verarbeitet haben.
Schon ein Kreuz mit den Renegaten. Dabei findet sich auf Wikipedia eine ganze Beweissammlung von ehemaligen Parteigenossen und ihren weiteren Lebensweg, der genau den proletarischen Nachweis liefern könnte, was aus den Kleinbürgern wurde. War die ganze Umerziehung für die Katz? War dieses Zeug von der proletarischen und studentischen Herkunft doch richtig? Man könnts naiverweise meinen und genau so naiv schreiben es auch die Parteireste auf ihren Seiten. Bei der MLPD liest sich das in Form der proletarischen und bürgerlichen Denkweise. Die Wahrheit ist naturgemäß etwas komplexer und schon seinerzeit, als Arbeiter von AKWs für ihre Arbeitsplätze demonstrierten, wobei ihre Gewerkschaft, um nicht die Kontrolle zu verlieren, die Führung übernahm, konnte man feststellen, das gesellschaftliche Konflikte keineswegs exakt an den Klassengrenzen verlaufen. Oder so, wenn die Arbeiter ihren Interessen folgen, dann stehen sie nicht zwangsläufig auf der richtigen Seite.
Die Interessen zum absoluten Maßstab zu machen ist etwas kurz gedacht. So müsste der Hufschmied, seinen Interessen folgend, gegen Traktoren kämpfen, denn die gefährden seinen Arbeitsplatz.
Wenn der Arbeiter seinen Interessen folgt, steht er zwangsläufig auf der richtigen Seite, so ein Kommunistendogma und was seine Interessen sind, das weiß die Partei am besten.
Die Umweltbewegung die mit Whyl begann, ging dann auch von Menschen aus, die vielschichtig waren und nicht ausdrücklich der Arbeiterklasse zuzurechnen sind. Diese stand in Umweltfragen oft genug eher auf der Seite ihres Arbeitsplatzes, selbst wenn es sich um die Atomfabrik in Hanau handelte.
Ebenso die Erfahrung, das freiwilliger Verzicht auf die mögliche berufliche Position keineswegs anerkannt wird, schon gar nicht von den Unterprivilegierten. Wobei sie sogar den richtigen Riecher haben, denn dadurch änderte sich für sie ja auch nichts.
Dies hat der Vorsitzende der Linkspartei treffend zusammengefasst. In den einfachen Satz, Linke müssen gegen Armut sein, Linke müssen nicht arm sein.

Verlierer der Geschichte

Bleibt noch die Frage, was ist mit denen, denen dieser Weg nicht offenstand? Die Arbeiter waren und es auch blieben und unter die Räder der Entlassungswellen und der Sozialbürokratie kamen? Man sollte meinen, die hätten doch weitermachen können. Oder sich neu organisieren können, nachdem die Studierten den Laden verlassen haben. Dem war nicht so, gerade die sprangen frühzeitig ab oder probierten anderes aus. Oft auf Feldern, die von der Parteidoktrin zu Nebenwidersprüchen erklärt wurden.
Schon witzig, diese Einordnung. Nach der marxistischen Ideologie wurde eine komplexe Gesellschaft in den Hauptwiderspruch Arbeit/Kapital aufgeteilt, der Rest war eben ein Nebenwiderspruch. Kaum jemand, der nicht völlig verblendet ist, nimmt dies noch ernst.
Trifft freilich nicht für alle zu, einige blieben bei der Stange und wenn man sich einige Seiten der Rest - KPD ML so anschaut, es scheint, als werden sie von Altgenossen proletarischer Herkunft geschrieben, bei denen es grad mal für eine Kopie der früheren Zeitungstexte reicht, die sich kaum trauen, eigene Gedanken zu entwickeln. Dies scheint ein Grund, weshalb die Inhalte dieser Seiten original aussehen, wie eine 73 erstellte Webseite, wenn es 73 schon Internet gegeben hätte.
Was soll man mit denen machen? Nicht viel, sie sind Argumenten genau so wenig zugänglich wie Gläubige. Sie können ihr geschlossenes Weltbild nicht aufgeben, sie fürchten um ihre Identität, selbst wenn es nur eine geborgte Scheinidentität ist. Wer sich im Krieg sieht, der kann Kritik nur als Form der Wehrkraftzersetzung wahrnehmen und sperrt sich gegen jede Einsicht.
Nun wäre es zu kurz gedacht, das Problem auf einige wenige Spinner zu beschränken, die man ohne Internet problemlos ignorieren könnte.
 Zurück zu den Theoretikern und Textschreibern, die nur die Macht der Feder haben. Die soll bekanntlich mächtiger als das Schwert sein. Dies ist zumeist nicht so offensichtlich, gegen die Faust helfen Worte wenig. Oder auch gegen strukturelle Gewalt. Da ist ein schlagkräftiger Verein doch hilfreich und dem hat sich der Schreiber unterzuordnen. Da dieser Verein fehlte, gründeten sie diesen Verein gleich selbst und wurden zunächst zu Parteiführern, die eigenhändig die Parteizeitung mit Lesefutter versorgten. Nachdem sie ihre Partei endlich los waren, sind sie wieder Intellektuelle, die weder eigene Zeitung noch Partei haben, dafür aber Bücher schreiben oder in der Taz Texte verfassen. Dafür brauchen sie zwar noch einen Verlag oder eine Zeitung die ihre Texte druckt, doch da haben sie nicht mehr das uneingeschränkte Sagen. Offensichtlich können sie recht gut damit leben, oder davon.
Ansichten wie, der Intellektuelle hat seinen Platz dort einzunehmen, den ihm die Arbeiterklasse zuweist oder den Standpunkt der Partei zu vertreten, egal ob sie ihn ignoriert oder verhöhnt, erscheinen diesen Zeitgenossen vermutlich wie eine Geisterbeschwörung aus der Vergangenheit. Mittlerweile haben ja einige etwas dazugelernt. Wer nur das Wort hat, dem bleibt eben nur auf Grundprinzipien zu bestehen, auf Mindeststandards auch in der politischen Auseinandersetzung, oder sogar in Zeiten des gewaltsamen Umbruchs. Wenn er diese aufgibt und das Wort an die Macht verkauft, dann hat er gar nichts mehr und sollte besser die Klappe halten, sonst endet er als peinliche Gestalt und Werbetexter für Gewaltsysteme, die mit Kommunismus im ursprünglichen Sinn nichts mehr zu tun haben. Es gibt eine ganze Sammlung von hellen Köpfen, deren sonst anerkannte Leistung, von ihren Rechtfertigungen für Diktatoren oder Besuchen von Nordkorea oder Kambodscha überschattet wird. Luise Rinser in Kambodscha, Jean Zieglers Lybienbesuche, die Liste ist lang.