Mittwoch, 4. Juli 2012

Alternativpresse am Ende?

Die Pressevielfalt der ML Parteien der 70iger reichte von der Parteizeitung über Monatsmagazine, Faltblätter, Fachpresse, Flugblätter bis hin zur Fabrikzeitung. Viel Arbeit das zu produzieren und zu verteilen. Was hat s bewirkt? Scheinbar spurlos verschwunden und die Zeitungsnamen kennt außer dem Insider heute niemand mehr. Diese Produkte enthielten wenig Information, meist waren sie eher Ideologie und Propagandafabriken. Daneben gab es zwar auch noch die so genannte undogmatische Presse, die sich zwar inhaltlich, jedoch von Auflage und Verbreitung nicht mit der ML Presse messen konnte. Dazu kam der von der DDR finanzierte Propagandaapparat der DKP, da konnte keine Kleinpresse mithalten.
Gegenpresse oder die so genannte Undergroundpresse erschien großteils in Berlin, Linkeck, 883 oder Berliner Anzünder waren einige davon. Im Nachhinein bleibt vom Mythos der undogmatischen Presse nicht soviel übrig, in vielen Punkten vertrat diese Presse den allgemeinen linken Mainstream und hier unterschieden sich die Undogmatischen oft wenig von ihren Gegnern, den ML Parteien. Dafür unterschieden sie sich im Erscheinungsbild vom Bleisatzlayout der ML Presse und die MLer bedachten sie abfällig mit der Wertschätzung, die sehen aus wie schlecht gemachte Schülerzeitungen.

Eine ebenso große Vielfalt an Gegenpresse entstand anschließend in den 80igern, nachdem die K Gruppen verschwanden. Auch davon ist nicht mehr viel übrig geblieben, allenfalls die TAZ, wenn man die noch so bezeichnen wollte. Die Alternativpresse wollte es besser machen, mehr Basisberichte und weniger Ideologie. Nur geriet auch diese Presse schnell in die Ideologiefalle und dann wurde Körnerfressen statt Klassenkampf gepredigt. Oder zuviel Kriminalisierungszeug und Repression, was in der Masse auch irgendwann Überdruß auslöste. Gekennzeichnet von Wiederholung, Langeweile und nur selten mal ein brauchbarer Denkansatz bestand ihre Existenzberechtigung ebenso wie in der ML Presse, in dem Glauben, mit Worten die Welt verändern zu können. Das es nur darauf ankommt, wer die besseren Argumente hat und das nur die Wahrheit verbreitet werden muß. Oft bestand die Motivation solche Blätter zu lesen, darin dazuzugehören. Man fühlte sich einer Sache oder Bewegung zugehörig und die entsprechende Zeitung hatte die Funktion, das man sah, was grad innerhalb dieses Zusammenhanges von Interesse war, was diskutiert wurde oder was grad an Themen diesen Mikrokosmos beschäftigte. Als sich diese Zusammenhänge auflösten, verschwand auch der Zweck. Und was ist draus geworden? Viel sieht man nicht mehr davon. Eines der letzten Blätter die noch an der Uni zu haben waren, ist der AK. Wenig gelesen fragt man sich, warum gibt s den noch auf Papier, die haben doch mittlerweile eine Webseite. Da ist aber nur ein Teil zu lesen. Wäre einfacher die Zeitung gleich vollständig online zu veröffentlichen. Tatsächlich scheint nur das Internet etliche Zeitungen noch am Leben zu erhalten.

Der Grund liegt auf der Hand. Entstanden als Alternative zu den vorherrschenden Parteiblättern gab es eine Vielzahl an sogenannter Untergrundpresse, später Alternativpresse genannt, die in den 80igern noch mal einen Höhepunkt erreichte.  Mit dem Ende der Bewegungen der 80iger verschwand auch nach und nach deren Presse. Die Beteiligten wurden älter, man konnt das Zeug irgendwann selbst nicht mehr sehen. Stets das gleiche Gejammer über die böse Welt und stets die gleichen Themen, gewohnheitsmäßig in einen unansehnlichen Ley Out hingeschmiert oder pseudoprofessionell ordentlich und von den langweiligen Bildern nicht erst zu reden. Repression, Asylanten, Rassismus, Antiimp, dazu das notorische Patriarchatsgeschrei und stets auf der Suche nach der nächsten Minderheit, irgendwann verliert auch der Gutwilligste das Interesse. Interim aus Berlin ist ein markantes Beispiel und wird nicht zufällig in der eigenen Szene als Vereinsblättchen bezeichnet. Meist ein unlesbares Mittelungsblatt der letzten Aufrechten oder des autonomen Kindergartens der glaubt, dem Rest der Welt, oder zumindest dem Restberlin, noch was mitteilen zu müssen. Oft genug nur wieder die notorischen Sexismusdebatten die keiner mehr ernst nimmt. Man fragt sich, wer so was noch lesen kann und ist froh, das es dieses Blatt offenbar nicht zu einer fortlaufenden Onlinezeitung schafft. Ein Indymedia reicht doch wohl. Nach dem Grund muß man nicht mehr fragen, wenn man selbst Erfahrung am Rechner gesammelt hat. Interim bekommt Flugis, und Schreibmaschinentexte und muß die nur noch zu einer Druckvorlage zusammenfügen. Eigentlich das Prinzip, lass die Infolieferanten die Hauptarbeit machen. Das ins Internet zu stellen, abscannen ginge ja noch, nur wie die Bildgraphiken veröffentlichen? Als Webseit, da müßt erstmal jemand die Texte abtippen, wer soll sich dafür den Arsch abarbeiten? Indymedia geht dagegen noch konsequenter den Weg, lass andere für dich arbeiten. Als interaktive Seite überlässt man dem Leser der zugleich Produzent ist, die Schreibarbeit und die Redaktion muß nur noch gelegentlich den Dreck ausmisten. Hier hat die Technik auch den Begriff Alternativpresse revolutioniert. Nicht das Indymedia perfekt wäre, dennoch bietet eine interaktive Seite Möglichkeiten, von denen man in den Zeiten des Papierdrucks nicht mal geträumt hat. Schon die Barrieren sind niedriger geworden. War es früher nur wenigen möglich in der Alternativpresse zu veröffentlichen, vom Insiderwesen der Autonomenblätter nicht erst zu reden, das schaffte ich nur einmal mit dem seinerzeit exotischen Thema Graffiti. Schließlich kann in solchen Blättern nicht jeder einfach veröffentlichen, wer bist du denn? Kennen wir dich? Und überhaupt, könnt ja jeder kommen.

Jahre später einige Bilder über Streikgraffiti an der Uni auf Indy reingesetzt, danach find ich eines davon in einen Kleinblättchen wieder, da mußt ich mich nicht weiter abmühen. So ändern sich die Zeiten.

Ein Motiv war auch, die Gegenberichterstattung. Was die "Bürgerliche Presse" verschwieg zu drucken, Gegenöffentlichkeit herzustellen. Das war nicht immer leicht einzulösen und oft ging es um die Frage des Marktwertes von Infos. Als sich der Pflasterstrand eine neue Zielgruppe suchte, schob die Redaktion den Sozialscheiß an den ID, hier habt ihr was sonst bei uns im Müll landet. Klar, Sozialscheiß kann man nur dosiert drucken, zuviel davon und die Leser schalten entnervt ab.

Ende der 70iger bis in den 80igern hatte die Alternativpresse ihre Hochphase, das hing damit zusammen, das sich einiges bewegte, das es viele Gruppen gab die was zu schreiben hatten und es gab eine Zielgruppe.

Ein weiterer Aspekt bestand in der teils gewollten unprofessionellen Ausführung, im chaotischen Ley Out und einen Erscheinungsbild, das sich bewußt von den blitzsauberen Buchdrucklayout der ernsthaften Politpresse absetzte. Und natürlich auch, das sie großteils von Leuten gemacht wurde, die zunächst weder Ausbildung noch Fachkenntnisse hatten, diese dafür durch viel guten Willen und Idealismus ausglichen.

Wie das eben so läuft, einige dieser Blätter wurden professioneller, änderten ihr Erscheinungsbild und suchten sich eine Zielgruppe die eher nach Konzert als nach Demoterminen suchte. Diese Blätter wurden kommerzieller und wollten am Ende auch nichts mehr mit einer wie immer gearteten linken Szene zu tun haben. Sichtbar wurde das auch an der Illustration die sich nicht mehr an puritanische Bilderverbot der linken Szene hielt.

Davor hatte erstmal ein Streit getobt, ob man Werbung aufnehmen sollte. Kapitalistische Kommerzprodukte in linken Zeitungen? Für die marktgerechter gewordenen Stadtzeitungen war diese Frage schon kein Thema mehr. Nach einiger Zeit war das vergessen und der Rest der Blätter, stets am Rande der Pleite verschwand irgendwann. Wenn neue Zeitungen erschienen, dann eher kurzfristig, solang eben einige Gutwillige dahinter standen und das Thema am laufen war.

Nicht das die linke Presse damit verschwunden wäre, wenn sich was bewegt, entstehen noch Kleinblätter oder zumindest Flugis. Nur hat das Internet auch hier einiges verändert. Wer was zu sagen hat, oder zumindest meint, er hätte etwas zu melden, macht es online. Macht weniger Arbeit, man erspart sich den Druck und die Verteilung und Bilder können sogar farbig sein, im Gegensatz zum Papierdruck.

Sicher gibt es noch Papier und auf Demos wird es verteilt, da werden auch seltsame Parteiblätter vertickt, wenn auch mit kaum meßbaren Erfolg. Es gibt auch noch irgendwelche Zentren wo gerüchteweise irgendwelche gutgemeinten Bleiwüsten rumliegen, nur wer verirrt sich schon in solche Ecken?

Ob ich damit offene Türen einrenne? Den Unterschied kann man an der Uni beobachten. Es gibt immer noch die Kleinblätter diverser Gruppen, die aussehen als könnte man sie am besten auf dem Klo lesen. Im Kontrast dazu stehen die kommerziellen Uniblätter, die auch kostenlos rumliegen und eine Mischung aus Unterhaltung, Unithemen, sogar halbwegs kritischer Politik und besonders ansprechende Fotos und Farbe bieten. Sicher haben die nichts mit Alternativpresse zu tun, dafür aber die Grundlagen kapiert, wie eine Zeitung aussehen muß.

Rückblickend gesehen, was hat es gebracht? Sicher auch Konstruktives, kann ja nicht alles umsonst gewesen sein. In der Kleinpresse fanden sich zuerst Themen die von den großen Medien verschwiegen oder nicht beachtet wurden, bis sie dann auch von der sogenannten bürgerlichen Presse aufgegriffen wurden. Oft gab sie denen die an abwegigen Themen arbeiteten, erst die Möglichkeit diese zu veröffentlichen. Das waren eher die Highlights, sonst war es meist eher Zweitverwertung von Nachrichten aus anderen Medien, also keine Infobeschaffung, eher ideologische Wertung schon vorhandener. Eine sinnvolle Funktion bestand oft in dem Nachdruck aus ausländischen Medien, welche die Presselandschaft hier nicht druckte.

Einige der Blattmacher schafften über die Kleinpresse den Sprung in die Mainstreammedien, so u.a. bei der TAZ. Von der TAZ zur FAZ so etwa.

Nicht zuletzt verschaffte die Alternativpresse, davon insbesonders der autonome Teil davon, einigen Mitarbeitern des Verfassungsschutzes einen sicheren Arbeitsplatz. Tschuldigung, ich hoff der Satz klingt nicht zu zynisch.
Zensur und Kriminalisierung zieht sich naturgemäß auch durch die Geschichte dieser Presse, meist da wo sie in Verbindung mit Bewegungen und militanten Aktionen stand. Das zieht sich von der Beschlagnahme der 883 bis zum Verbot der Radikal. Trotzdem muß man unterm Strich gesehen zugeben, insgesamt gesehen, konnten linke Zeitungen unbehelligt erscheinen, auch wenn Ultralinke bei dieser Aussage noch heute einen Anfall bekommen.
Seit die Alternativpresse, oder was man noch so nennen könnte, ins Internet gegangen ist, mußte sie sich natürlich der Technik anpassen und hier sind Ley Out Experimente eben nicht so einfach wie auf einen Ley Out Blatt. Dafür benötigt man für Bildgraphiken keine Graphikbetriebe mit Repromaschinen mehr, das kann man am Rechner in der eigenen Behausung erledigen. Jedenfalls ist den meisten Veröffentlichungen nicht mehr ihr ursprüngliches Druckbild anzusehen, nur die Couriertypo hat sich gehalten, kleines Andenken an die gute alte Schreibmaschine. Auch hier sind die Texte wieder mal das A und O und die Überzeugungsarbeit.

Ein weiterer Punkt ist die Zeitung als kollektives Projekt, was nicht immer von Vorteil sein muß. Das kann auch heißen, Gruppendruck und sich der allgemeinen Ansicht anzupassen und so sehen oft viele Blätter aus. Die Webseit kann auch von Einzelnen erstellt werden und wäre demnach ein elektronisches Einmannprojekt und nicht wenige können so besser arbeiten, als in Gruppen, wo abweichende Gedanken und Ideen oft auch aus Unverständnis und Gleichgültigkeit abgeschmettert werden.

Wo liegt die Zukunft der Kleinblätter? Völlig verschwunden sind sie ja nicht und zu passenden Anlässen gibt es sogar noch Flugis. denen sieht man an, das man mit Rechner und Drucker das erledigen kann, wofür man früher teure Composer brauchte und die beigefügten Links und Mailaddis sind Tribute an die Internetzeit.
Eine Geschichte passt hier noch rein. Sie  stammt aus der Writerwelt und zeitlich gesehen noch vor der Rechnernutzung. Writer sind ja Handarbeit gewohnt und als sie Flyer produzierten, die zu Veranstaltungen aufriefen, bestand der ganze Inhalt aus Handarbeit plus Zeichnungen natürlich. In dieser Form wurde am Fotokopierer vervielfältigt. Nachdem auch Writer ihre Kiste haben, sehen Flyer natürlich auch wieder anders aus.

Eine Veränderung lässt sich noch anführen. Bei meiner Archivarbeit bekam ich etliche Blätter aus den 70igern zu sehen, von denen hatte ich seinerzeit nicht mal gewußt, das es sie gab. Will was heißen, schließlich war ich ja an der Geschichte nicht ganz unbeteiligt. Heute ist eine kleine Webseit nur einen Mausklick vom fettesten Portal entfernt.

Ergänzend kann ich noch anfügen, hab den AK in die Finger bekommen, lag halt rum und war n Ladenhüter. Bemerkenswerterweise war es der AK 500, da gibt es doch was zu feiern. Na den gibt s ja auch seit 73. Reife Leistung könnt man meinen, nur welchen Sinn das macht wenn das Blatt ohnehin niemand liest? Haben halt einige Altlinke ihren Lebenssinn drin gefunden und können so ihre Existenzberechtigung als Linke nachweisen.


PS: Worin besteht der Zusammenhang zwischen Gifgraphik und Alternativpresse? Da die Alternativpresse billig drucken mußte, waren Bilder Schwarz/Weiß und meist gerastert. Ab und an verirrte sich auch mal eine Fotographik rein, meist wenn nicht aufgerastert werden konnte oder Bilder aus der Mainstreampresse geklaut, wurden graphisch wenn sie vorher klein gerastert oder im Tiefdruck ausgeführt waren. Mit Absicht wird so was eher selten gemacht, da wurden einige Möglichkeiten nicht genutzt.
Doch auch in diesem Bereich bleibt die Zeit nicht stehen. Schaut man sich heute die Veröffentlichungen an der Uni an, die Flyerkultur hat auch bei den Politaufrufen Einzug gehalten und das Papier aus dem Copieshop ist auch nicht mehr zeitgemäß. Aufrufe zum Gebührenprotest werden zum Teil bereits auf Hochglanzpapier gedruckt und selbstverständlich am Rechner erstellt. Das Demoaufrufe auch optisch was bieten müssen, scheint mittlerweile auch da angekommen zu sein.

Mittlerweile ist die Alternativpresse, wenn man sie noch so nennen will, ins Internet ausgewandert.



Mit solchen Pics wie auf meinen bisherigen Seitenprojekent zu sehen, könnt man den linken Sauertöpfen nicht kommen. Platzverschwendung, wir haben noch wichtige Texte die rein müssen. Und was soll dieses unagitative Zeug? Was ist revolutionär an graphisch verfremdeten Pics? Das reißt doch die Massen nicht vom Hocker und wir wollen doch die Revo vorbereiten. Was kann man auch von Leuten erwarten, für die Bilder nur lästiges Bewerk sind, die davon überzeugt sind, das Wahrheit nur in Schriftform vermittelt werden kann.