Dienstag, 3. Juli 2012

Demofotos

Das Erscheinungsbild der Demos im Wandel der Zeiten.
Mal wieder Demo, die Leut sind jung, im Schmodderoutfit und fallen nicht weiter auf. Wie aber wirkt sowas auf Außenstehende? Etwa auf einen, der selbst mal so aussah, heut daneben steht und schon am Erscheinungsbild merkt, da drin würd er auffallen. Das war mal anders.


 
Vor 20 Jahren hat man sich noch einreihen können und fiel nicht weiter auf, weder vom Alter noch vom Aussehen. Aber man wird ja nicht jünger und läuft auch nicht in Fetzen rum, auch wenn man s bis heute nicht zum BWLer Outfit geschafft hat. Bei solchen Demos merkt man bereits am Erscheinungsbild, das ist nicht mehr deine Welt, was dich von diesen Volk trennt sind nicht nur einige Jahre, es ist ne Lebenseinstellung die sich auch äußerlich zeigt. So oft passiert das ja nicht, Demos sind selten geworden und verirrt man sich doch mal an den Demorand, dann fällt s umso mehr auf. Dieses Fetzenoutfit mag zwar sehr anti aussehen, ist dafür umso wirkungsloser. Weder schockt es, noch beeindruckt es heute irgendwen. Diese Formen der Jugendkultur sind längst ins System repressiver Toleranz integriert, soll heißen, lauft doch rum wie ihr wollt, juckt eh niemanden.
Entstanden ist dieses Demobild in den 70igern, noch zu 68ziger Zeiten sahen die Demonstranten recht ordentlich aus. Auch als Studie hatte man auf sein Aussehen zu achten. In den 70igern wurd die Kleiderordnung lockerer und es hatte Gründe. Man gab wenig Geld für Kleidung aus, man hatte eh nicht viel und trug die Sachen bis sie auseinander fielen. Hier bildete sich eine Uniformierung die das Erscheinungsbild von Häuserkampfdemos bis zur Startbahn bestimmte. Auch eine Art zu zeigen, ob man dazugehört. Palituch, Lederjacke und Jeans gehörten zum allgemeinen Erscheinungsbild das auch die Frauen geschlechtsneutral aussehen ließ.
Studentendemo 03, altersmäßig entsprechen sie dem der Startbahndemos selig. Dafür aber ein unauffälliges Aussehen, bei den Frauen durchaus modebewußt, die machen sich über Kleidung nicht nur nebenher Gedanken, man sieht es. So ändern sich die Zeiten. Ebenso zeigte sich bei den Friedensdemos ein weitgehend unauffälliges Erscheinungsbild was auch am Durchschnittsalter lag. Das waren eben keine Jugenddemos mehr, die Beteiligten sind älter geworden. Früher wollt man sich schon äußerlich von der Normalbevölkerung unterscheiden und abgrenzen. Mit der Zeit legte sich das, mit zunehmenden Alter wirkt man im Demooutfit der 80iger ohnehin nur noch wie ne Witzfigur, zur Normalbevölkerung gehört man ja selbst. Jedenfalls fällt man da drin nicht weiter auf und das ist der Punkt. Diese Demos unterscheiden sich vom Erscheinungsbild, das sich noch 81 in Bonn bot.
Aber es gibt noch Insiderdemos die schon äußerlich Insidercharacter haben. Eine "Freiraumdemo" etwa, das Durchschnittsalter recht jung und das Outfit schön verkommen. Da drin siehst schon mit 30 alt aus. Solche Demos schließen schon vom Erscheinungsbild jeden aus, der äußerlich nicht reinpasst. So bleibt der Haufen unter sich, klein und wirkungslos. Wer sich mit 30 in so ner Demo aus welchen Gründen auch immer verirrt, von 40 nicht erst zu reden, darf sich nicht  wundern wenn er mißtrauische Blicke erntet oder für n Spitzel gehalten wird, dafür muß man nicht erst ne Kamera mitschleppen. Man braucht gar nichts zu  tun, das Aussehen genügt schon. Was manchen Veteran wie ein schlechter Witz erscheinen
muß, der noch vor 20 Jahren genauso aussah, möglicherweise Fotographen als Zivis anmachte und die Filme forderte und heut selbst für n Zivi gehalten wird. Passiert eher selten, da sich dieser Veteran nicht auf solchen Demos blicken lässt, was wollt er auch da?
Das es auch anders geht zeigt die Hanfparade, da interessiert dein Aussehen niemanden. Klar sind die meisten jung, aber die sehen auch mehrheitlich aus als kämen sie grad aus der Schule oder von der Uni. Sicher ist das Erscheinungsbild dieser Demo recht bunt, nur hab ich da nie eine Abgrenzungsform erlebt.
Das Erscheinungsbild der Beteiligten sagt ja was aus, es ist der erste Eindruck den die Öffentlichkeit davon bekommt, noch bevor man die Transpis gelesen hat oder weiß um was es geht. Hier entscheidet sich ob Außenstehende Zugang finden, bzw. es überhaupt sollen. Manche wolle ja unter sich bleiben und bei bestimmten Blöcken zeigt sich schon durch deren einheitliches Auftreten, wer rein darf oder wer besser draußen bleibt. Es gibt eben Demoformen, die Leute ausschließen, selbst wenn sie inhaltlich durchaus dafür wären.
Eine der übelsten Demos war eine Prokopftuchdemo mit Frauen und Männerblöcken, die Frauen mit Kopftuch und Mäntel verhüllt und diese Demo bot schon vom Anblick ein Erscheinungsbild, das jeden Außenstehenden klarmachte, da drin hast nix zu suchen. Nicht das jemand mit klaren Verstand das noch inhaltlich unterstützen sollte.
Saul 08

Nachtrag 2011
Die Revolution in Ägypten, die man durchaus so bezeichnen kann, brachte auch zu diesem Thema bemerkenswerte Einsichten. Im Verlauf der Proteste wurde auf Druck der Machthaber das Internet abgeschaltet. Zuvor hatten die Menschen mit Digicam und Videohandy Bilder ins Netz gestellt und dies in einer Menge, aus der sich auch die großen Medien bedienten. Doch auch nach Abschaltung des Netzes wurden die Vorgänge von den Beteiligten dokumentiert. Berichterstatter wurden zeitweilig gewaltsam am Filmen und Fotografieren gehindert, doch gegen die schiere Masse der Handycams kam niemand an. Die sind auch im arabischen Raum gut verbreitet und damit ist es vielen möglich grad mal Bilder und Videos aufzunehmen und diese sobald das Netz wieder lief, in die Welt zu senden. So erschienen im Fernsehen weltweit oft Videobilder in zwar schlechterer Qualität, die dafür vor Ort zeigten, was passierte. Das ist ebenso ein Ausdruck der digitalen Medienrevolution. Einige ausländische Kamerateams kann man an ihrer Arbeit hindern, nicht aber die große Masse mit handlichen Gerät.
Es erwies sich hier als nicht mehr machbar, eine Bildzensur durchzusetzen. Die Medienproduktion ging von den Profis auf die Normalbevölkerung über.
Was dies mit der linken Bildparanoia zu tun hat, ist offensichtlich. Eine Bildkontrolle ist bei der heutigen Verbreitung von Cams und Handycams nicht mehr durchzusetzen.

PS: Bei der Demo gegen  die Innenministerkonferenz 2011 heißt es vom Lauti, wenn ihr schon fotografieren müsst, verpixelt die Gesichter, einige hier haben das eben nicht so gern, wenn sie im Internet zu sehen sind.
Was an dieser Durchsage bemerkenswert war, ein allgemeines Bildverbot wie früher wird nicht mehr gefordert. Es wäre auch bei der Masse der Digis nicht mehr durchzusetzen. So ändern sich die Zeiten.



Nachtrag 2011
In Dresden wurden bei einer etwas ausufernden Protestdemo gegen Neonazis, von der Polizei massenhaft Handydaten abgespeichert. Noch ist dies nicht so selbstverständlich, das es nicht zum Medienthema würde. Doch es wirft einige Fragen auf, besonders zum Thema Bildparanoia.
Naiverweise meinen einige immer noch, die Polizei oder sonstige Überwachungsbehörden würden das Netz nach Demobilder durchforsten um anhand der Gesichter festzustellen, wer gehört dazu, wer ist wo dabei.
Die Technik hat wieder mal die Vorstellung überholt. Handys sind aus keiner Demo mehr wegzudenken, die hat man dabei und benutzt sie auch, oft während der Demo. Ist ja auch hilfreich, wenn sich die Sache auseinander zieht oder zerfasert, zu erfahren, wo tut sich was, wo ist die Demo grad.
Nun lässt sich anhand eingeschalteter Handys oder sog. Smartphones der Standort feststellen und dazu, wer der Besitzer ist, mit wem er/sie gequatscht hat und noch einiges mehr. Da muß niemand mehr nach Gesichter im Netz suchen, die Handys verraten viel mehr.
Genauso gut könnte jeder Demonstrant sich vor der Demo persönlich registrieren lassen. Käme auf das Gleiche raus.

Nachtrag London 2011
In London brannte es und es wurde munter geplündert. Nicht nur da, auch weitere Städte waren betroffen. Jugendlicher Riot wieder mal, doch diesmal sind Film und Fotos öffentliches Thema. Es wurde natürlich auch munter fotografiert und videografiert. Das Material wird auf diverse Portale und auf You Tube ins Netz gestellt. Nun schlägt das Imperium zurück und öffentlich wird von Staatsvertretern verkündet, das Material nach Gesichtern auszuwerten oder der Bürger wird zur Identifizierung aufgerufen. Das mußte ja mal kommen, die Verbreitung von Digis als Alltagsgerät führt eben dazu, das im Fall von Straßenrandale dieses Mittel für den Gegenschlag genutzt werden kann.
Wenn jeder munter ablichten kann, dann kann man kaum verantwortungsvollen Umgang erwarten. Etwa auf bedenkliche Szenen zu verzichten, dafür sind allenfalls Idioten wie ich zuständig, was freilich wenig ändert. Von einer neuen Bildparanoia sind alle betroffen, da wird nicht mehr gefragt, wer notfalls die Kamera stecken lässt.
Ob London wieder mal die Bildparanoia anheizen wird, man wird s sehen. Irrationalerweise kommt diese bei Aktionen hoch, bei denen nicht mal was Bedenkliches passiert.
Nun bleibt nur noch, auf eine neue Bilddebatte zu warten. Jedenfalls gelten die vorher angeführten Ratschläge für Demoknipser nach wie vor.



Gesichtererkennung

Heut nix los nur Langeweile.
Da hab ich keine Eile.
Da schau ich mal bei Indy rein.
Erfreu mich da am Feuerschein.
Wurd mal wieder demonstriert?
Oder was an die Wand geschmiert?
Gibt es denn auch Bilder?
Die machen den Bericht viel wilder.
Doch oh Graus was muß ich sehn?
Gesichter frei, so tuts nicht gehn.
Da mach ich gleich ein groß Geschrei.
Gesichter zu erkennen, au wei.
Denn ich bewach die Indyregel.
Drum sag ich jedem Fotoflegel.
Frage nicht warum.
Das ist halt so, darum.



Museumsreif

Die großen Demos längst vergessen.
Der Scheibenbruch, der Käs ist gegessen.
Putzdemos, Schnee von Gestern.
Darüber lohnt kein Lästern.
Nach unseren Heldensagen.
Tun die Jungen zum Glück nicht fragen.
Vergessen die wüsten Debatten.
Um Flaschenwürfe und Dachlatten.
An der Startbahn brach ein Schlagstock in zwei Teile.
Beim Gebrauch in Wut und Eile.
Das war nicht scherzhaft.
Vermutlich eher schmerzhaft.
Im Museum Rüsselsheim ist der heut zu bestaunen.
Das Ergebnis schlechter Launen.
Ins Museum haben wir s geschafft.
Für den Rest übernehmen wir keine Haft.
Doch steht heut noch die Mauer.
Das ist kein Grund zur Trauer.
Ein Gesamtkunstwerk im Wald.
So geht das Leben halt.
Das lässt sich heut noch besuchen.
Steht zwischen Fichten und Buchen.
Stressfrei kannst es ablichten.
Darüber tut niemand mehr richten.
Niemand der dumme Fragen stellt.
Für wen du fotografierst -
das ist ne vergangene Welt.