Mittwoch, 4. Juli 2012

Linke im Netz

Man blickt auf etliche Jahre Politerfahrung zurück, war an einigen Geschichten beteiligt, an vielen nicht oder an anderen nur als Zuschauer. So kann man sich einfach mal die Frage stellen, wie wäre das damals gelaufen, wenn es das Internet in der heutigen Form schon gegeben hätte? Anders, besser oder hätte es an der Praxis auch nicht viel geändert? Zumindest hätten viele dann den Mund aufmachen können, deren Stimmen ungehört blieben. Ob das was geändert hätte? Hätte es mit Internet auch die RAF gegeben? Zumindest hätten sie schneller überprüfen können, was ihre Zielgruppe von ihren Aktionen hält. Das hätten sie aber auch so wissen können, was nützt das, wenn man nicht zuhören will?
Hätte es die K-Gruppen gegeben? Auch in der langsameren Printwelt gab es ja Auseinandersetzungen und mahnende Stimmen, die freilich ungelesen verhallen, wenn man bereits von der eigenen Wahrheit überzeugt ist und glaubt, man muß nur dem Rest der Welt die Wahrheit verkünden. Hätte das Internet viele Dummheiten seinerzeit verhindern können oder wären sie doch nicht anders gelaufen, weil Menschen eben nur aus ihren Dummheiten lernen? Solche Fragen kann man sich stellen und findet aktuell die Antwort. Wenn das Internet eine virtuelle Neuauflage von vergessenen Politgruppen ermöglicht, dann hat das in der realen Welt noch keine Auswirkungen und der Grund ist, das die ML Theorie als geheiligtes Erklärungsmuster der Weltlage und aller sonstigen Probleme schon lange ausgedient hat. Daher können zwar einige Übriggebliebene virtuelle Parteien ins Netz stellen wie die viermal gespaltene KPD/ML, von der man vorher nicht gewußt hatte, das es sie noch gibt, nur hat dies keine reale Bedeutung mehr. Trotzdem zeigt die Existenz von unbelehrbaren Sektierern, das auch das Internet niemand von seinen Irrglauben abhalten kann. Ein elektronisches Medium bietet neue Möglichkeiten, ist aber nicht imstande in ihren Vorurteilen verbohrten Spinnern klarzumachen, das sie auf dem Holzweg sind. Wenn solche Seiten heute recht wirkungslos sind, dann hat das weniger was mit dem Internet zu tun, eher damit, das sich heute nur noch wenige von der Ideologie beeindrucken lassen. Die reale Erfahrung die nicht wenige damals mit diesen Kleinsekten gemacht haben, ist der beste Schutz gegen eine Neuauflage.
Doch auch andere Zeitgenossen leben trotz des neuen Mediums noch in der Vergangenheit. Die vorgeblich undogmatische Linke bevorzugt nach wie vor das Bildverbot und hegt und pflegt die Bildparanoia, haut dafür aber bedenkenlos Fotos ins Netz. Nicht irgendwelche Fotos, sondern frisch aus der Kleindiggi mit Exiferdateien. Die lassen sich von der Seite auslesen und so weiß man zwar nicht, wer der Fotograph ist, dafür, welche Kamera er benutzt hat und wann die Bilder entstanden und dazu muß man nicht mal vor die Tür gehen. Schon ein Witz, da führen sich Linke auf wie ein Geheimbund, geben aber unbemerkt Daten preis und kapieren nicht mal was sie da tun.
Es war schon früher ein Irrtum zu meinen, bei den Undogmatischen würde es unbekümmerter zugehen. Da gibt es genau so Dogmen, heilige Kühe und uniformen Gruppendruck. Und den Irrglauben Jüngerer, um dazugehören zu dürfen, den Schrott gedankenlos nachzumachen, der als vorgeblich allgemeingültig verkündet wird. Etwa die neusten Schnapsideen die aus diesen Kreisen ab und an aufsteigen und als absolute Wahrheiten verkündet werden. Es gibt keine Völker. Signale hören sie dann wohl auch nicht. Rassen gibt es ohnehin nicht, wer dran zweifelt, ist Rassist. Geschlechter gibt es auch nicht, das ist nur ein Konstrukt. Das sind nur einige Fälle der letzten Zeit und es werden nicht die Letzten gewesen sein. Man darf gespannt sein, welches Kaninchen sie noch aus dem Hut ziehen und dann als das ultimative Mittel verkünden, doch noch die Welt auf den Kopf stellen zu können. Der Unterschied ist nur, man kann heute leichter solchen Dummheiten widersprechen. Und schon sehen auch Unerfahrene, das ist keineswegs so unwidersprochen, allgemein gültige Auffassung.
Das Internet ist eben nur ein Medium, dafür eines, das es vorher nicht gab. Man kann ein Medium schlecht für die Inhalte verantwortlich machen, die werden immer noch von Menschen gemacht. Zudem kommt es stets darauf an, wie man ein Medium nutzt.
Neues Medium - alter Inhalt?
Bisher war es Papier und das wurde naturgemäß so genutzt, das man zu wissen meint, was die Zielgruppe erwartet und man richtet sich ohnehin nur an diejenigen, die auf der eigenen Wellenlänge liegen. Seit die Papierproduzenten das Netz entdeckt haben, übertragen sie die Inhalte und Form ihrer selten gewordenen Zeitungen auf dieses Medium und das trifft fast für alle Bestandteile der Linken zu. Die Textinhalte haben sich nicht verändert, geschrieben wird so wie man es von früher kennt. Dabei übersehen manche, das eine Webseite kein Blatt Papier ist. Sie bringen es immer noch fertig unlesbare Bleiwüsten zu produzieren, die sich am Rechner freilich noch schlechter lesen als auf Papier. Mit der Illustration ist es nicht besser, da werden vielfach einfach die altbekannten Agitationsgrafiken aus dem vergilbten Papieren abgescannt und schon sehen die Webseiten aus, als befände man sich immer noch im Jahr 78 oder 85. Mit Illustration hatten sie es ja noch nie, Bilder waren stets lästiges Beiwerk. Wenig Platz dafür, die Texte müssen rein, die sind wichtiger. Wie viel Regalmater Bleiwüste in all den Jahren zusammenkamen, man kann damit ein großes Archiv füllen. Was sie bewirkt haben, wie viel davon wirklich gelesen wurde, seht im Wortsinn auf einen anderen Blatt. Tonnenweise gut gemeinter Wortmüll. Ins Netz schaffen es offenbar doch nicht alle. Die Radikal hat es zwar versucht, doch bleib es nur ein kurzlebiger Versuch. Offenbar reichten weder Inhalt noch verbliebene Power aus. Von einen Mythos allein lebt es sich nicht so gut, zumal ihr längst die Zielgruppe abhanden gekommen war. Texte lassen sich technisch gesehen zwar leicht veröffentlichen, doch das Vereinsblatt aus Berlin, die Interim schaffte es nicht Online zu gehen, nur ein paar Ausgaben wurden ins Netz gestellt. Kein Verlust, der größte Teil dieser Textfabrik ist ohnehin unlesbar und langweilig. Die virtuellen ML Blätter sind eher eine Karikatur der früheren Parteipresse. Es stehen eben nicht mehr Hundert Helfer zur Verfügung und ein paar gealterte Restlinke reichen eben nicht, um ausreichend Material ranzuschaffen um die Seite zu füllen. Mit den Seiten der Trotzkistensekten schaut es nicht anders aus, da dominieren die langatmigen Aufsätze, es steckt eben nichts dahinter. Anders dagegen diejenigen, die zeitweilig noch auf genug Hiwis zurückgreifen konnten, wie Linksruck. Da man die Arbeit verteilen konnte, sah die Seite durchaus beeindruckend aus, nun mit dem Eintritt in die Linke ist das Geschichte. Mlpd verfügt zwar über genug Leute und schafft es sogar eine professionell aussehende Seite zu pflegen, doch trifft das nur für die Onlinezeitung zu, die weitgehend mit übernommenen Agenturmeldungen gefüttert wird. Der Rest ist eher das trocken Brot einer Parteizeitung und die gedruckte Zeitung stellen sie nicht mehr vollständig online, was allenfalls wegen der erheiternden Wirkung zu bedauern ist. Die Unterseiten der Nebenorganisationen bieten dagegen wenig, da können sie nur auf wenige Helfer zurückgreifen und das sieht man.
Die Forderung ist alles - ihre Optik nichts.
Kreative sind selbst innerhalb der Linken Außenseiter. In der Druckwelt sah man der Parteipresse die Schablone des bleischweren Ley Outs an in dem die Inhalte gepresst wurden, kleinere Gruppen gelang es eher die erweiterten Möglichkeiten des Offsetdrucks zu nutzen. Im Internet sieht es dagegen etwas anders aus, für Ley Out Experimente muß man die Technik im Griff haben und es ist eben etwas anders als auf Layoutpapier und Lithofilm. Dankenswerterweise gibt es für Webseitenbauer ja vorgefertigte Schablonen, auch Templates genannt. Von denen wird munter Gebrauch gemacht, so muß man nur die Textfelder füllen und für unerfahrene User ist das bestens geeignet. Mit der Zeit wachsen doch die Ansprüche und man gibt sich nicht mehr mit vorgefertigten zufrieden, einige schon. Denen reicht es, ihre Analysen und Klassikerzitate im Netz stehen zu haben, aussehen kann s wie es will. Bei etlichen linken Seiten war die Herkunft aus dem Bereich der Alternativpresse unschwer zu erkennen. So wie seinerzeit die Zeitungen aussahen, mit wenig Geld, dafür mit umso mehr guten Willen produziert. Die Onlineprojekte sahen dann auch aus wie aus den Anfängen des Internets. Mit der Zeit haben einige natürlich dazugelernt und Seiten der neuen Partei die Linke, zeigen dann auch bereits etwas ansprechenderes Profil.
Auf Webseiten kann man Bilder veröffentlichen, sogar in Farbe. In der Kleinpresse wurde nur Schwarz Weiß gedruckt und es gab nur wenige Bilder, der Platz war eben begrenzt. Das ist heute einfacher geworden, doch auf linken Seiten werden diese Möglichkeiten nur unzureichend genutzt. Mit Bilder hatten sie es noch nie drauf. Die überließ man der Massenpresse und klaute sie notfalls da raus. Zu blöd zum fotografieren? Scheint so, selbst nachdem die Digitalfotografie vieles vereinfacht hat. Das konnte ich auf Indymedia feststellen. Wenn ich die besseren Bilder reinsetzen konnte, dann lag das weniger daran, das ich besonders gute Bilder mache, mußt mich nicht mal groß anstrengen. Es lag daran, das der Rest schlechte und langweilige Bilder macht, wenn überhaupt. Das Bildverbot lastet immer noch schwer wie Blei auf der linken Seele und wird vom Gesichter unkenntlich machen Geschrei begleitet. Das Diggi und Handycams das Fotoverhalten auf Demos radikal verändert haben ist bei denen noch nicht angekommen.
Bei den G8 Protesten wurden ebenfalls Möglichkeiten verschenkt und die Bildaussage überließ man den Profis und der Mainstreampresse. Ein Schlaglicht darauf wirft die Demo gegen Vorratsdatenspeicherung. Einige Fotos auf Indymedia und schon kommt der notorische Ordnungsruf, Gesichter weg. Das war eben eine zivile Demo größtenteils von Leuten, die sich nicht weiter um linke Regeln scheren. Bescheuert eindimensionale Linke glauben eben, ihre Insidergesetze hätten Allgemeingültigkeit. Linke sind erstaunlich konservativ in manchen Dingen. Ausgerechnet diejenigen die sich mal einbildeten an der Spitze des gesellschaftlichen Fortschritts zu stehen, leben noch im letzten Jahrhundert. Dazu gibt es einen netten Spruch. Seinen Weg ins Einundzwanzigste Jahrhundert muß jeder selbst finden.
Das führt zurück zur Frage, was das Internet verändert hat. Man kann den Mund aufmachen. hat man es zu einer eigenen Seite, notfalls auf freien Webspace geschafft, dann hat man einen Ort, wo einen keiner das Maul stopfen kann. So kommt es, das Kleinsekten ihre Schäfchen vor manchen Seiten warnen müssen. Früher waren kritische Blätter schwer zu bekommen, man mußte schon wissen, wo. Heute sind sie mit einen Linkklick erreichbar und es gibt naturgemäß Dogmatiker und verbohrte Gestalten, die ganz offensichtlich Angst vor abweichenden Meinungen haben.