Montag, 25. Juli 2016

Rückfällig


Zu den bekannten Grundlagen linker Revolutionstheorie gehört unverzichtbar der stetige Kampf gegen jede Form des Revisionismus. Stets ist die erfolgreiche Revolution vom Rückfall in den Kapitalismus und der alten Gesellschaftsordnung bedroht. So wird es in der gängigen Revolutionstheologie regelrecht gepredigt. Die Warnungen vor dem Revisionismus füllen ganze Buchkapitel und keine marxistisch leninistische Partei kommt ohne regelmäßige Mahnungen und Warnungen vor dem Grundübel, ideologisch rückfällig zu werden, aus. Oder anders ausgedrückt, den wahren Weg der revolutionären Partei zu verlassen und dem Pfad der Sünde zu folgen.
Die Wortwahl zeigt ihre Herkunft aus der Theologie und der Zusammenhang ist mehr als auffällig.
So wie die diversen Religionen ihre Schäfchen stets vor der Sünde und dem Verlassen des wahren Glaubens warnen, führt die ML Ideologie diese Tradition fort und hat sie in die Ideologie übernommen. Nur Böse/Sünde wurde gegen Liberalismus, Revisionismus, Reformismus und noch mehr Fehltritte ersetzt. Utopie ist auch darunter und Anarchie? Na das geht mal gar nicht.
Trotzkismus nicht zu vergessen und der hat keineswegs was mit dem Namensgeber zu tun, noch weniger mit den heutigen Trotzkistensekten. Es ist einfach nur eine Sammelbezeichnung für Opposition wie sie bei Stalin angewendet wurde.
Jedenfalls sehen wir, der Kampf gegen alle Strömungen des Denkens hat in der Kirche sein Vorbild. Ist es da der Teufel, der mit seinen Versprechungen die Schäfchen auf Abwege bringen will, die Partei und Revolution ist dementsprechend vom Rückfall in die alte Ordnung und in den Reformismus bedroht. Und daher muß dagegen rund um die Uhr und mit allen Mitteln entschlossen der Kampf geführt werden.
Wird dies vernachlässigt, dann scheitert die Revolution, dann passiert genau das, als 89 der Ostblock zusammenkrachte. Die Kommunisten haben jedenfalls bis heute eine klare Erklärung dafür gefunden, das ein Gesellschaftsmodell zusammenbrach, das mit dem ursprünglichen Gedanken nicht mehr viel zu tun hatte. Ja hätte man nur ….. was bitte?
Für die Dogmatiker waren die Reformen wie Glasnost der Fehler. Also was wäre die Alternative gewesen? Weiter wie gehabt? Gab es. Albanien stemmte sich bis zuletzt dagegen und verzögerte nur den Zusammenbruch, der sich dann umso heftiger entlud.
Oder die chinesische Lösung? Die Partei blieb an der Macht, nur veränderte sich China auch ohne Umsturz. Mao und der Sozialismus sind heute nur noch ideologische Fassade. Aber die Partei hat nach wie vor die Macht und mehr als Machterhalt ist nicht übriggeblieben.
Doch wenn es um den Kampf gegen den Revisionismus geht, gibt es eine weitere Frage, die auf Antwort wartet. Ok, natürlich ist es nicht die Frage, es sind die Menschen die sich mit dem Thema beschäftigen. Die sich noch die Zeit nehmen um sich damit zu befassen, was heute alles andere als selbstverständlich ist.
Wenn die nachrevolutionäre Gesellschaft so instabil ist, daß stets der Rückfall in die alte Ordnung besteht, dann stellt sich schon die Frage, warum.
Warum braucht man eine Parteidiktatur, Zwangssysteme, Geheimpolizei und Zensur um die neue Gesellschaftsordnung zu schützen? Wer wollte denn freiwillig zurück zum Kapitalismus oder ins Feudalsystem, wenn doch der Sozialismus endlich die ersehnte Freiheit gebracht hat. Muß man die neue Gesellschaft mit Stacheldraht, Pressezensur, Schauprozesse und Lager schützen? Vor wem?
Eine Gesellschaft die solche Mittel zu ihrem Erhalt braucht, kann irgendwie nicht so das sein, was den Menschen versprochen wurde.
Die dogmatischen Kommunisten argumentieren, die neue Gesellschaft müsse vor inneren und äußeren Feinden geschützt werden. Betrachte man freilich die Maßnahmen, so richteten sie sich vorwiegend gegen die eigene Bevölkerung und gegen die einfachen Menschen und trafen keineswegs die entmachteten Vertreter der alten Ordnung. Sie richteten sich gegen die Arbeiter und Bauern selbst. Also gegen die Zielgruppe, die angeblich nun die Macht hat, oder in deren Sinn das alles sein soll.
So wie in diversen Glaubenssystemen auch stets die Säuberungen wüteten, da es stets Fanatiker gibt, die der Ansicht sind, das Reich Gottes könne erst anbrechen, wenn alle Störer, Ketzer und Abweichler beseitigt sind, scheint sich im Kommunismus dieses Prinzip fortzusetzen. Das Arbeiter und Bauernparadies kann erst real werden, wenn alle Klassenfeinde beseitigt sind. Und diese Exzesse begleiten die Geschichte des Kommunismus bis zum Extremfall Kambodscha.
PS: Schaut man sich den ideologischen Kampf gegen den Revisionismus genauer an, so stellt man fest, es geht gar nicht darum. Es ist die ideologische Fassade für Machtkämpfe wie sie stets nach Revolutionen ausbrechen. Etwa in der Art, wer bekommt den Weinkeller!