Zu den bekannten Grundlagen linker Revolutionstheorie gehört unverzichtbar der stetige Kampf gegen jede Form des Revisionismus. Stets ist die erfolgreiche Revolution vom Rückfall in den Kapitalismus und der alten Gesellschaftsordnung bedroht. So wird es in der gängigen Revolutionstheologie regelrecht gepredigt. Die Warnungen vor dem Revisionismus füllen ganze Buchkapitel und keine marxistisch leninistische Partei kommt ohne regelmäßige Mahnungen und Warnungen vor dem Grundübel, ideologisch rückfällig zu werden, aus. Oder anders ausgedrückt, den wahren Weg der revolutionären Partei zu verlassen und dem Pfad der Sünde zu folgen.
Die Wortwahl zeigt ihre Herkunft aus der Theologie
und der Zusammenhang ist mehr als auffällig.
So wie die diversen Religionen ihre Schäfchen stets
vor der Sünde und dem Verlassen des wahren Glaubens warnen, führt die ML
Ideologie diese Tradition fort und hat sie in die Ideologie übernommen. Nur
Böse/Sünde wurde gegen Liberalismus, Revisionismus, Reformismus und noch mehr Fehltritte
ersetzt. Utopie ist auch darunter und Anarchie? Na das geht mal gar nicht.
Trotzkismus nicht zu vergessen und der hat
keineswegs was mit dem Namensgeber zu tun, noch weniger mit den heutigen
Trotzkistensekten. Es ist einfach nur eine Sammelbezeichnung für Opposition wie
sie bei Stalin angewendet wurde.
Jedenfalls sehen wir, der Kampf gegen alle
Strömungen des Denkens hat in der Kirche sein Vorbild. Ist es da der Teufel,
der mit seinen Versprechungen die Schäfchen auf Abwege bringen will, die Partei
und Revolution ist dementsprechend vom Rückfall in die alte Ordnung und in den
Reformismus bedroht. Und daher muß dagegen rund um die Uhr und mit allen
Mitteln entschlossen der Kampf geführt werden.
Wird dies vernachlässigt, dann scheitert die
Revolution, dann passiert genau das, als 89 der Ostblock zusammenkrachte. Die
Kommunisten haben jedenfalls bis heute eine klare Erklärung dafür gefunden, das
ein Gesellschaftsmodell zusammenbrach, das mit dem ursprünglichen Gedanken
nicht mehr viel zu tun hatte. Ja hätte man nur ….. was bitte?
Für die Dogmatiker waren die Reformen wie Glasnost
der Fehler. Also was wäre die Alternative gewesen? Weiter wie gehabt? Gab es.
Albanien stemmte sich bis zuletzt dagegen und verzögerte nur den Zusammenbruch,
der sich dann umso heftiger entlud.
Oder die chinesische Lösung? Die Partei blieb an der
Macht, nur veränderte sich China auch ohne Umsturz. Mao und der Sozialismus
sind heute nur noch ideologische Fassade. Aber die Partei hat nach wie vor die
Macht und mehr als Machterhalt ist nicht übriggeblieben.
Doch wenn es um den Kampf gegen den Revisionismus
geht, gibt es eine weitere Frage, die auf Antwort wartet. Ok, natürlich ist es
nicht die Frage, es sind die Menschen die sich mit dem Thema beschäftigen. Die
sich noch die Zeit nehmen um sich damit zu befassen, was heute alles andere als
selbstverständlich ist.
Wenn die nachrevolutionäre Gesellschaft so instabil
ist, daß stets der Rückfall in die alte Ordnung besteht, dann stellt sich schon
die Frage, warum.
Warum braucht man eine Parteidiktatur,
Zwangssysteme, Geheimpolizei und Zensur um die neue Gesellschaftsordnung zu
schützen? Wer wollte denn freiwillig zurück zum Kapitalismus oder ins
Feudalsystem, wenn doch der Sozialismus endlich die ersehnte Freiheit gebracht
hat. Muß man die neue Gesellschaft mit Stacheldraht, Pressezensur,
Schauprozesse und Lager schützen? Vor wem?
Eine Gesellschaft die solche Mittel zu ihrem Erhalt
braucht, kann irgendwie nicht so das sein, was den Menschen versprochen wurde.
Die dogmatischen Kommunisten argumentieren, die neue
Gesellschaft müsse vor inneren und äußeren Feinden geschützt werden. Betrachte
man freilich die Maßnahmen, so richteten sie sich vorwiegend gegen die eigene
Bevölkerung und gegen die einfachen Menschen und trafen keineswegs die entmachteten
Vertreter der alten Ordnung. Sie richteten sich gegen die Arbeiter und Bauern
selbst. Also gegen die Zielgruppe, die angeblich nun die Macht hat, oder in
deren Sinn das alles sein soll.
So wie in diversen
Glaubenssystemen auch stets die Säuberungen wüteten, da es stets Fanatiker
gibt, die der Ansicht sind, das Reich Gottes könne erst anbrechen, wenn alle
Störer, Ketzer und Abweichler beseitigt sind, scheint sich im Kommunismus
dieses Prinzip fortzusetzen. Das Arbeiter und Bauernparadies kann erst real
werden, wenn alle Klassenfeinde beseitigt sind. Und diese Exzesse begleiten die
Geschichte des Kommunismus bis zum Extremfall Kambodscha.
PS: Schaut man sich den ideologischen Kampf gegen
den Revisionismus genauer an, so stellt man fest, es geht gar nicht darum. Es
ist die ideologische Fassade für Machtkämpfe wie sie stets nach Revolutionen
ausbrechen. Etwa in der Art, wer bekommt den Weinkeller!