
Sonntags
fanden in Berlin zwei Demonstrationen anstatt der üblichen LL Demo
statt. Das war neu und im Vorfeld gab es heftige Auseinandersetzungen,
die zumeist online ausgetragen wurden. Die traditionelle Demo wurde von
den Mainstreammedien wie gewohnt abgehandelt, die internen
Auseinandersetzungen waren weniger das Thema.
Es
begann , das einige Jusos zu einer Alternativdemo aufriefen, der sich
dann noch weitere Gruppen anschlossen. Darauf gab es wütende
Proteste, ausgerechnet die Jusos? Die Nachkommen der Mörder an
Rosa und Karl rufen zu ihrem Gedenken auf? Soll heißen, die
gesamte SPD ist für alle Zeiten schuldig gesprochen. Solche
Ansichten kamen, nicht unerwartet, aus dem dogmatischten Lager der
Linken. Ist die LL Demo bisher eine Veranstaltung gewesen, die
allenfalls online einigen Unmut von Einzelpersonen hervorrief oder in
der Jungle World etwa einige kritische Zeilen erschienen, diesmal
erfasste der Streit weite Teile der Linken und etliche sahen sich
gezwungen Stellung zu beziehen. Das Unbehagen über den
Stalinistenaufmarsch, der bisher meist satirisch abgehandelt wurde,
wurde diesmal Hauptthema.
Junge Welt
Sozis gedenken ihrer Opfer
Bündnis
sozialdemokratischer Organisationen plant »Rosa und
Karl«-Demo parallel zur traditionellen Demonstration
Die Betonköpfe aus der Jungen Welt sind nicht gerade begeistert.
In den letzten Wochen sind in der Hauptstadt
dunkelblaue Plakate mit den Porträts von Rosa und Karl
aufgetaucht. Erst auf den zweiten Blick fällt auf, daß ein
Bündnis vorwiegend sozialdemokratischer Organisationen zur
Demonstration aufruft: die Jusos, die Falken und die
Naturfreundejugend, dazu die Linksjugend-Solid (der parteinahe
Jugendverband der Linkspartei) und die DGB-Jugend. Erst auf den dritten
Blick wird klar, daß das Plakat für den 13. Januar nicht zum
Frankfurter Tor aufruft, wo die traditionelle Demonstration
anfängt, sondern zum Olof-Palme-Platz, tief im Westen der Stadt.
Die Sozialdemokraten machen also eine eigene Gedenkdemonstration? Ein
Sprecher des Bündnisses behauptete gegenüber jW, eine
»emanzipatorische Alternative zur traditionellen
LL-Demonstration« veranstalten zu wollen.
In diesem Sinn bestreitet der SPD-Nachwuchs in seinem Aufruf, daß
»solche menschenverachtenden Ideologien etwas mit den Ideen von
Rosa und Karl zu tun haben«, und nennt den etablierten Marsch
deswegen einen »Ausdruck des Scheiterns«.
Verschiedene Antifa-Gruppen, die die Liebknecht-Luxemburg-Demonstration
mitorganisieren, schäumten vor Wut im Gespräch mit jW.
»Zum Kotzen«, sagt Jonas Schießer von der
Antifaschistischen Revolutionären Aktion Berlin über die
Initiative der »zukünftigen Sozialabbaukader«.
»Puren Zynismus« sieht Ina Laumeyer von der
Antifaschistischen Linken Berlin, wenn die »Kinder der
Mörder von Rosa und Karl das Erinnern an diese Revolutionäre
zu instrumentalisieren versuchen«.
Dafür waren Stalinbilder für diese Gruppen bisher kein Anlass überzuschäumen.
Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht
Neues Deutschland 14.1.13
Rund 10
000 Menschen gedachten am Sonntag in Berlin Rosa Luxemburgs und Karl
Liebknechts. Erstmalig gab es zwei Demonstrationen, da die
Organisatoren unter anderem die Glorifizierung von Josef Stalin
während der traditionellen Demo fürchteten.
.......»Mit
unserer Demonstration wollen wir etwas völlig anderes
organisieren. Statt bloßer Apologetik geht es uns um die
inhaltliche Auseinandersetzung mit den Ideen und Werten Luxemburgs und
Liebknechts«, erklärt Kevin Kühnert, Landesvorsitzender
der Berliner Jusos, mit Verweis auf die im Vorfeld stattgefundene
Diskussionsreihe. Dass gerade seine Organisation zum Gedenken an Karl
und Rosa aufrief, wurde etwa aus dem traditionell autonomen Lager als
Hohn aufgefasst. ......
»Ich
war noch nie auf der traditionellen, oder wie ich eher sagen
würde, autoritär-orthodoxen LL-Demo. Dort tummeln sich seit
Jahren gruselige Politsekten, die rein gar nichts mit einer freien und
emanzipatorischen Gesellschaft zu tun haben«, erklärt Thomas
Marquardt, ein der Naturfreundejugend nahestehender
Demonstrationsteilnehmer.
......Auch
wenn hier und da neben Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht Mao Tse Tung
und Josef Stalin auf der klassischen Gedenkdemonstration zu sehen sind,
ist sie weitaus mehr als das. Keine andere regelmäßig
stattfindende Demonstration in Deutschland ist so bunt und
vielfältig. Junge und alte Menschen sind zu sehen. Vor allem sind
viele migrantische Gruppen anwesend:
Soll heißen, ist doch eine Demo aller Linken und wir wollen doch
alle zusammenhalten. Zusammenhalten heißt aber kaum den Mund
halten.
Die Kommentare verdienen ebenfalls Beachtung:
Knapp
800 auf der Spalter-Demo? Das ist wohl eine sehr wohlwollende
Schätzung. Andere Berichte gehen von ca. 300 bis 500
Scheidemännchen aus, die dürften realistischer sein. Na,
immerhin war auch Katja Sorglos-Kipping dabei.
Scheidemännchen?
Da ist dem Schreiber ja ein origineller Joke gelungen. Die
Traditionsdemo hat noch keiner als Stalinmännchen bezeichnet.
Wer ist
hier der Spalter? Spalter sind wohl eher nicht die OrganisatorInnen und
TeilnehmerInnen der Emanzipatorischen Luxenburg Liebknecht Demo sondern
jene die z.B. letztes jahr Stalin und Maokritischen Beiträgen auf
der Traditionellen LL Demo mit Gewalt begegnet sind. Ist schon sehr
zynisch wenn man Leute erstmal zusammenschlägt und sich dann
beschwert das sie ihr eigenes Ding machen.
Klingelt
da nicht was? Zitat: "Junge und alte Menschen sind zu sehen. Vor allem
sind viele migrantische Gruppen anwesend: Haha. Spätestens
an dieser Stelle sollte man was begreifen. In Berlin gibt es um
Vielfaches mehr russischer Migranten als Türken oder Kurden. Und
sie sind gut miteinander vernetzt. Schon ganz zu schweigen, dass
sie solche revolutionäre Traditionen haben, die keiner hier hat
und dass sie begreifen, worum es geht. Tja, wieso waren waren sie denn
nicht da? Ihr dürft drei mal raten. Und euch dabei leise freuen.
Denn wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass es in Russland
kaum eine Familie war, die vom stalinistischen Terror nicht betroffen
war... ach, stellt Ihr doch mal vor, nächstes Jahr werden sie
vielleicht doch da. Na? (Text etwas im Ausdruck verbessert.)
Die grünen Kommunisten beim Marsch durch die Institutionen
Interessanterweise
sind es auch gerade immer wieder jene, die in den 70ern und 80ern unter
den Bildern von Mao und Stalin nicht laut genug "REVOLUTION" rufen
konnten und heute die angepasstesten Vetreter des bürgerlichen
Systems sind, denen Frieden, Arbeitnehmer-Rechte, soziale
Gerechtigkeit, nichts mehr bedeuten, wenn sie auch in Worten das
Gegenteil behaupten.
Die
Mehrheit der Gründer-Elite der Grünen kam z. B. aus den
K-Gruppen. Sie verstanden sich alle als aufrechte kämpferische
Kommunisten, verstanden sich als Stalins Enkel und Maos Söhne, als
Anhänger Enver Hoxhas, wie z. B. Jürgen Trittin
(Kommunistischer Bund), Winfried Kretschmann, Ralf Fücks, Krista
Sager, Reinhard Bütikofer, Winfried Nachtwei, Joscha Schmierer
(alle Kommunistischer Bund Westdeutschlands), Antje Vollmer &
Ex-Taz-Redakteur Christian Semler (Umfeld KPD/AO: Liga gegen den
Imperialismus ) Semmler war nicht im Umfeld, er war Parteivorsitzender, Heide Rühle (Kommunistischer Arbeiterbund
Deutschlands), Volker Ratzmann, Kerstin Müller, Andrea Fischer
(Gruppe Internationale Marxisten) und viele andere (Quelle: Wikipedia).
Sie hatten zum größeren Teil Führungsfunktionen in den genannten Parteien inne.
Sie sind
es aber auch, die heute den Mitgliedern und Sympathisanten der Partei
Die Linke vorwerfen, alte Kommunisten, Stalinisten und Verherrlicher
der diktatorischen Regime zu sein.
Wenn sie
mit demFinger heute anklagend auf aufrechte Linke zeigen, müssen
sie sich bewußt machen, das vier Finger auf sie zurückzeigen.
Dies ist sicher ein interessanter Aspekt, doch für gestandene
Dokmatiker kein Anlass nachdenklich zu werden. Denn das waren ja alles
Kleinbürger und von denen war noch nie was anderes als Verrat zu
erwarten. Das Leben kann ja so einfach sein.
Aus dem Aufruf zur Rosa & Karl Demo
Nein, nein – das ist nicht der Kommunismus!
In der
Vergangenheit sind viele Versuche sozialistische Ideen umzusetzen
gescheitert. Nicht nur durch blutige Niederlagen wie die des
Spartakusaufstands, sondern auch dadurch, dass ihr fortschrittlicher
Gehalt in brutalen Diktaturen und repressiven Systemen ein Ende
gefunden hat. Die Namen Stalin, Mao, Ho-Chi-Minh und Honecker stehen
stellvertretend für dieses Scheitern.
Das
traditionelle Gedenken an Rosa und Karl in Form der LL(L)-Demonstration
stellt heute leider einen traurigen Ausdruck dieser Form des Scheiterns
dar. Unwidersprochen werden Jahr für Jahr Stalin-Banner
geführt, Weisheiten des großen Vorsitzenden Mao Zedongs
zitiert und DDR-Fahnen geschwenkt. Kritik wird nicht entgegengenommen,
sondern mit körperlicher Gewalt beantwortet. Wir bestreiten, dass
solche menschenverachtende Ideologien etwas mit den Ideen von Rosa und
Karl zu tun haben und haben die Hoffnung verloren, dass diese
Aufstellung des Gedenkens noch von innen reformiert werden kann.
Wenn wir
an die Ideen von Rosa und Karl anknüpfen und für ein freies
und selbstbestimmtes Leben auf die Straße gehen, so tun wir das
als Bündnis emanzipatorischer Jugendverbände und Gruppen. Wir
haben die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen, sondern schreiten
fragend voran. Wir wehren uns gegen jeden Dogmatismus und die
Verherrlichung von Verbrechen begangen von sogenannten Linken und im
Namen „der guten und wahren Sache“. Wir wehren uns gegen
eine „Freund-Feind“-Logik, denn die Welt in der wir leben
ist nicht schwarz- weiß, sondern bunt.
TAZ 18.12.2012
„Zeitgemäßes Gedenken nötig“
Ein linkes
Jugendbündnis will im Januar eine eigene
Rosa-Luxemburg-Demonstration durchführen. Fabian Weissbarth von
den Jusos über die Gründe.
........Was stört Sie an der Demonstration, die seit 1990 von Friedrichshain zu den Gräbern der SozialistInnen zieht?
Ein
wichtiger Faktor waren im letzten Jahr tätliche Angriffe gegen
GenossInnen. Die hatten mit einem Transparent gegen Stalin- und
Mao-Bilder protestiert, die auf der Demo gezeigt wurden. Vonseiten der
Demoleitung und den meisten TeilnehmerInnen wurden die GenossInnen
nicht unterstützt. Jusos, Falken, Naturfreunde-, DGB-Jugend und
Solid sind daraufhin unabhängig voneinander zu der
Überzeugung gekommen, dass eine Teilnahme an der traditionellen
Demonstration nicht mehr möglich ist.
Hat die Demo denn nicht dazu beigetragen, eine öffentlich wahrnehmbare linke Gedenkkultur zu etablieren?
Wir
sprechen vielen TeilnehmerInnen nicht ab, dass es ihnen um ein linkes
Gedenken geht. Wir wollen mit unserer Initiative dieses Gedenken
weiterentwickeln. Dazu ist aber ein Bruch mit autoritären
Sozialismusvorstellungen nötig, wie sie im Zeigen von Stalin- und
Mao-Bildern auf der Demo deutlich wird.
Sie
haben auch Kritik an dem Demo-Aufruf, der den Syrienkrieg kritisiert
und dabei vor allem die USA und Israel angreift. Gehören solche
Themen nicht zu einer Ehrung der Antimilitaristen Karl und Rosa?
Wir wollen
mit einer klassischen Imperialismusanalyse brechen, die mit ihren
Vorstellungen vom Feind USA den komplexen weltpolitischen
Vorgängen nicht gerecht wird. Menschen mit friedenspolitischen
Anliegen sind aber auf unserer Demonstration selbstverständlich
willkommen.
........Teile
des Vorbereitungskreises der traditionellen LL-Demo haben Sie als
„Kinder Noskes“ tituliert. Noske war maßgeblich an
der Niederschlagung der Arbeiteraufstände 1918/1919 beteiligt.
Müssen Sie nicht kritisch die eigene sozialdemokratische
Geschichte aufarbeiten?
Wir sind
uns der Problematik unserer sozialdemokratischen Geschichte bewusst
– wozu auch Gustav Noske gehört – und setzen uns damit
auseinander. Gerade deswegen rufen wir zur neuen Demo auf. Wir erwarten
aber auch von dem anderen Bündnis, dass es sich seinerseits
kritisch mit der Geschichte des Staatssozialismus und kommunistischer
Kämpfe auseinandersetzt.
Genausogut könnte man die Kommunisten auf der Traditionsdemo als
Kinder der Kronstadtmörder und Schauprozeßricher bezeichnen.
Is echt ein Kreuz mit der Geschichte.
TAZ 13.1.2013
Getrennt marschieren zur Revolution
Am Sonntag
wurde gleich doppelt Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gedacht. Die
einen versuchten es ohne Stalin und Mao. Die Massen aber waren bei den
Traditionalisten.
Kurz bevor
sich der Demonstrationszug in Gang setzt, verteilt das „Rosa und
Karl“-Bündnis, wie es sich liebevoll nennt, Pappen in
Sprechblasenform. Darauf kann jeder Demonstrant auf dem
Olof-Palme-Platz schreiben, was er will. Eine malt ein
Anarchie-Zeichen. Ein junger Mann mit rosa Schal schreibt:
„Mensch sein ist vor allem die Hauptsache“.
Die
Sprechblasen passen zu Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Denn die
beiden Revolutionsführer sind ein bisschen wie Wundertüten,
in die sich jeder hineinwünscht, was er will. Waren sie nun Feinde
oder Freunde der Demokratie? Waren sie Humanisten? Die Auffassungen,
wie man ihnen gedenken soll, gehen weit auseinander. So weit, dass es
nun neben dem traditionellen Gedenken in Friedrichsfelde eine zweite
Demo gibt, für die man sich an diesem Sonntag am Tiergarten
versammelt.
......„Die
Demo ist moderner und undogmatischer“, sagt Caren Lay,
stellvertretende Bundesvorsitzende der Linken, die mit Stalin-Verehrung
wenig am Hut hat. Alles, was mit der Verherrlichung von Diktaturen zu
tun hat, bleibt draußen. Die Demo wurde bewusst am selben Tag
gewählt – damit man sich für eine entscheiden muss.
.........Kann
man Luxemburg wirklich fein säuberlich von allem trennen, was mit
Diktatur zu tun hat? Das sehen auf der Demo viele anders. Ein paar
Falken aus Stuttgart haben ein Plakat dabei, auf dem steht
„Diktatur, jawoll!“. Das stamme von Luxemburg,
erklären sie. Keineswegs sei sie eine lupenreine Demokratin
gewesen – darum sei auch die klare Trennung Quatsch. Auch die
Antifa kann mit den Junggewerkschaftern und Sozialdemokraten wenig
anfangen. „Revolution kann man nur gegen den Staat machen“,
sagt Timon Simons. Auch hier ist man gespalten, wer sie nun war, die
Rosa-Wundertüte. Aber zumindest bekommt man nicht gleich auf die
Nase.
Auf der Traditionsdemo:
.......Vor
dem Friedhofstor steht derweil Anmelder Klaus Meinel. Immer wieder,
beteuert er, habe man sich von den Stalin-Fans distanziert. "Aber was
sollen wir machen? Hier herrscht eben keine Zensur." Lieber als
über "die drei Stalin-Bilder" redet Meinel über die
Forderungen der Demo, keine Kriege, keine Armut. "Reale Politik, kein
Personenkult." Als Meinel hört, dass die andere Demo nur mehrere
hundert Teilnehmer hatte, lächelt er kurz. "Die Hunde bellen, die
Karawane zieht weiter", sagt er, und verschwindet zwischen
Büchertischen und Bratwurstständen.
Wieviel es auf der Alternativdemo waren ist weniger von Bedeutung, entscheidend ist, das diese überhaupt stattfand.
Tagesspiegel 14.1.2013
Das
Treffen auf dem Friedhofsvorplatz, der Gang zum Gedenkstein, das
Niederlegen einer roten Nelke – das mag für manchen eine
Erinnerung an die DDR sein, für viele andere ist es das
große Linken-Treffen Berlins, ein Polit-Hochamt zum Jahresbeginn.
Da kommen
die Alten mit strengem Blick über dunkel getönten
Brillengläsern im Metallgestell, aber eben auch viele Junge, rote
Kapuzenjacken mit Lenins markantem Schädel, Rastalocken-Anarchos,
zauselbärtige mutmaßliche Intellektuelle schlendern zwischen
den Ständen strammlinker Ideologieproduktion. Die „Junge
Welt“ und das „Neue Deutschland“ sind vor Ort.
......Die
Kundgebung auf dem gepflasterten Friedhofsvorplatz ist eher in Richtung
Zukunft orientiert. Von einer Bühne aus, neben der auf einem
Transparent die Köpfe von Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao
Tsetung nach links in die Zukunft blicken, werden die Zuhörer
agitiert. Ein paar tausend Menschen waren es auch am Mittag noch, die
dem Gitarristen und den beiden Sängerinnen vom
„Jugendverband Rebell“ lauschten – oder dem
gleichermaßen wort- und stimmgewaltigen Frontmann der MLPD, der
Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands, Stefan Engel.
Eine nicht
ganz kleine Gruppe junger Linker geht inzwischen auf Abstand zu einer
Gedenkkultur, in der auch für Stalin und Mao Ehrenplätze
bereitgehalten werden. Ein Bündnis linker Gruppen hat am
Sonntagvormittag zur Separat-Demo aufgerufen – weit entfernt vom
Sozialistenfriedhof, nahe bei der Stelle im Landwehrkanal, wo 1919 die
Leiche Luxemburgs gefunden worden ist. Auf dem Olof- Palme-Platz an der
Budapester Straße in Charlottenburg trafen sich Jusos und junge
Linke der Linken-Nachwuchsorganisation „solid“, dazu
Gewerkschaftler von Verdi und vom DGB, und auch der Piraten-Abgeordnete
Gerwald Claus- Brunner erschien, wie stets mit
Palästinenser-Kopftuch und Latzhose.
Ein paar
hundert vor allem junge Leute wollten auf diese Weise zeigen, dass es
so etwas wie ein neues Nachdenken über die Ikonen der Linken gibt
– und darüber, wie es mit dem Sozialismus weitergehen
könnte. Vor allem von den Stalinisten und Maoisten, die in den
vergangenen Jahren bei der „LL-Demo“ genannten Kundgebung
in Lichtenberg zu sehen waren, wolle man sich distanzieren, sagt ein
junger Fahnenträger von „solid“. Stalin und Mao, das
sei „kein gutes Bild“.
Aus dem Aufruf zur Rosa & Karl Demo
Nein, nein – das ist nicht der Kommunismus!
In der Vergangenheit sind viele Versuche sozialistische Ideen
umzusetzen gescheitert. Nicht nur durch blutige Niederlagen wie die des
Spartakusaufstands, sondern auch dadurch, dass ihr fortschrittlicher
Gehalt in brutalen Diktaturen und repressiven Systemen ein Ende
gefunden hat. Die Namen Stalin, Mao, Ho-Chi-Minh und Honecker stehen
stellvertretend für dieses Scheitern.
Das traditionelle Gedenken an Rosa und Karl in Form der
LL(L)-Demonstration stellt heute leider einen traurigen Ausdruck dieser
Form des Scheiterns dar. Unwidersprochen werden Jahr für Jahr
Stalin-Banner geführt, Weisheiten des großen Vorsitzenden
Mao Zedongs zitiert und DDR-Fahnen geschwenkt. Kritik wird nicht
entgegengenommen, sondern mit körperlicher Gewalt beantwortet. Wir
bestreiten, dass solche menschenverachtende Ideologien etwas mit den
Ideen von Rosa und Karl zu tun haben und haben die Hoffnung verloren,
dass diese Aufstellung des Gedenkens noch von innen reformiert werden
kann.
Wenn wir an die Ideen von Rosa und Karl anknüpfen und für ein
freies und selbstbestimmtes Leben auf die Straße gehen, so tun
wir das als Bündnis emanzipatorischer Jugendverbände und
Gruppen. Wir haben die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen,
sondern schreiten fragend voran. Wir wehren uns gegen jeden Dogmatismus
und die Verherrlichung von Verbrechen begangen von sogenannten Linken
und im Namen „der guten und wahren Sache“. Wir wehren uns
gegen eine „Freund-Feind“-Logik, denn die Welt in der wir
leben ist nicht schwarz- weiß, sondern bunt.
Schau
an, in diesen Zeilen sind etliche linke Erkenntnisse zusammengefasst,
welche die Linke im Laufe ihrer Zeit (oft genug schmerzhaft)
lernen mußte. Nicht bei allen kam dies an, es gibt immer Linke,
ddie sich bis heute hinter den alten Parolen und Ikonen verschanzen und
nicht loslassen können.
Tagesspiegel 14.1.2013
Das Treffen auf dem Friedhofsvorplatz, der Gang zum Gedenkstein, das
Niederlegen einer roten Nelke – das mag für manchen eine
Erinnerung an die DDR sein, für viele andere ist es das
große Linken-Treffen Berlins, ein Polit-Hochamt zum Jahresbeginn.
Da kommen die Alten mit strengem Blick über dunkel getönten
Brillengläsern im Metallgestell, aber eben auch viele Junge, rote
Kapuzenjacken mit Lenins markantem Schädel, Rastalocken-Anarchos,
zauselbärtige mutmaßliche Intellektuelle schlendern zwischen
den Ständen strammlinker Ideologieproduktion. Die „Junge
Welt“ und das „Neue Deutschland“ sind vor Ort.
......Die Kundgebung auf dem gepflasterten Friedhofsvorplatz ist eher
in Richtung Zukunft orientiert. Von einer Bühne aus, neben der auf
einem Transparent die Köpfe von Marx, Engels, Lenin, Stalin und
Mao Tsetung nach links in die Zukunft blicken, werden die Zuhörer
agitiert. Ein paar tausend Menschen waren es auch am Mittag noch, die
dem Gitarristen und den beiden Sängerinnen vom
„Jugendverband Rebell“ lauschten – oder dem
gleichermaßen wort- und stimmgewaltigen Frontmann der MLPD, der
Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands, Stefan Engel.
Eine nicht ganz kleine Gruppe junger Linker geht inzwischen auf Abstand
zu einer Gedenkkultur, in der auch für Stalin und Mao
Ehrenplätze bereitgehalten werden. Ein Bündnis linker Gruppen
hat am Sonntagvormittag zur Separat-Demo aufgerufen – weit
entfernt vom Sozialistenfriedhof, nahe bei der Stelle im Landwehrkanal,
wo 1919 die Leiche Luxemburgs gefunden worden ist. Auf dem Olof-
Palme-Platz an der Budapester Straße in Charlottenburg trafen
sich Jusos und junge Linke der Linken-Nachwuchsorganisation
„solid“, dazu Gewerkschaftler von Verdi und vom DGB, und
auch der Piraten-Abgeordnete Gerwald Claus- Brunner erschien, wie stets
mit Palästinenser-Kopftuch und Latzhose.
Ein paar hundert vor allem junge Leute wollten auf diese Weise zeigen,
dass es so etwas wie ein neues Nachdenken über die Ikonen der
Linken gibt – und darüber, wie es mit dem Sozialismus
weitergehen könnte. Vor allem von den Stalinisten und Maoisten,
die in den vergangenen Jahren bei der „LL-Demo“ genannten
Kundgebung in Lichtenberg zu sehen waren, wolle man sich distanzieren,
sagt ein junger Fahnenträger von „solid“. Stalin und
Mao, das sei „kein gutes Bild“.
Zehntausende für den Sozialismus und das Gedenken an Lenin, Liebknecht und Luxemburg auf der Straße
Die RF News der MLPD, erwartungsgemäß die übliche Propaganda.
Gegen antikommunistische Spaltungsversuche eines Bündnisses aus
Führern der Jusos, Falken, Naturfreundejugend, DGB-Jugend und
Linksjugend Solid waren der REBELL und die MLPD, aber auch viele andere
Kräfte für eine gemeinsame überparteiliche
LLL-Demonstration eingetreten. Mit anfänglich 40 und zuletzt
gerade mal 300 Teilnehmern fiel die Spalterdemo entsprechend
kläglich aus.
Möglichst kleinreden, nicht das es auf die Anzahl ankäme.
Die Vorsitzende des REBELL, Lisa Gärtner, sagte: "Kein Zweifel,
Rosa Luxemburg würden morgen mit uns, an der Seite der
Arbeiterpartei MLPD und der anderen Revolutionäre aus ganz Europa
demonstrieren".
Zum Glück muß Rosa das nicht mehr lesen.
Jungle World 10.1.2013
Der traditionelle Aufmarsch vertritt eine autoritäre linke Politik
In der traditionellen Luxemburg-Liebknecht-Demonstration manifestiert
sich nur eine autoritäre Vorstellung linker Politik und
Kultur. Doch dieses Jahr bekommt sie Konkurrenz.
Wenn unisono orthodox-kommunistische Blogs und Zeitungen aufgebracht
von »Klassenverrätern« und
»Antikommunisten«, »zukünftigen
Sozialabbaukadern« und den »Kindern der Mörder von
Karl und Rosa« schäumen, dann können die so
Gescholtenen grundsätzlich schon einmal nicht alles falsch gemacht
haben.
Wer sich hier so verraten fühlt, sind die loyalen Anhänger
der Luxemburg-Liebknecht-Demonstration, denn sie bekommen
Konkurrenz.
.........Die LL-Demonstration ist die größte
regelmäßige linke Demonstration in Deutschland und steht
sinnbildlich für das Konzept einer linken Einheit um jeden Preis
und die Aufopferung jeglicher fortschrittlicher Mindeststandards linken
Selbstverständnisses zugunsten massenhafter Selbstvergewisserung.
Die LL-Demo ist damit zuallererst der Ort, an dem sich stalinistische,
maoistische und marxistisch-leninistische K-Gruppen unwidersprochen als
anerkannter Teil linker Bewegung inszenieren dürfen.
.........Wer aber das Gedenken an Rosa und Karl aufgibt und die
Demonstration schulterzuckend als traurigen Ausdruck der Verfasstheit
der deutschen Linken abtut, ignoriert die Funktion der
LL-Demonstration. Für politisch interessierte Jugendliche spielt
dieses Gedenken eine nicht unerhebliche Rolle im
Identitätsbildungsprozess und schickt seine Teilnehmer auf den Weg
in die Welt der orthodoxen Politsekten. Und tatsächlich
dürfen auch Medien und Anwohnende Jahr für Jahr beobachten,
wie »die Linken« mit der Sowjethymne zum Friedhof
marschieren. Das LL-Gedenken normiert und normalisiert auf diese Weise
eine autoritäre und orthodoxe Vorstellung linker Praxis und Kultur
und fesselt die Linke an das ideologische Erbe des Realsozialismus.
Die Hoffnung auf ein Ende dieses Spuks durch das stille Fernbleiben von
der Veranstaltung ist illusorisch, und die Versuche einer
Rückgewinnung haben sich als aussichtslos und gefährlich
herausgestellt. Der Bruch muss krachend sein. Ein Erfolg der
»Rosa&Karl«-Demonstration kann der erste Schritt zur
Schließung dieses düsteren Kapitels sein.
..........Die Linke ist in den vergangenen Jahrzehnten wie lange nicht
mehr einem Wandel unterworfen gewesen, der von einer
grundsätzlichen Distanzierung vom Realsozialismus angestoßen
wurde und sich in der immer weitergehenden Hinterfragung vermeintlicher
linker Gewissheiten fortsetzt. Das
»Rosa&Karl«-Bündnis ist nicht zuletzt ein Ausdruck
von genau diesen neuen linken Ansätzen und Perspektiven.
Die »Rosa&Karl«-Demonstration ist daher nicht nur
wichtig, um Maoisten die Räume zur Selbstinszenierung zu
entziehen oder die Akzeptanz stalinistischer Ideologeme in linken
Zusammenhängen anzugreifen, sondern bietet sich auch als
Ausgangspunkt an für eine weitergehende Auseinandersetzung mit
linker Geschichte, linkem Selbstverständnis und der Transformation
der Linken hin zu einer grundsätzlich emanzipatorischen
Ausrichtung.
Zumindest die wütenden Reaktionen der Traditionskommis bewiesen,
wie hart sich die Dogmatiker auf ihren ureigenen Feld angegriffen
fühlen. Sie wissen, wie dünn ihre Überzeugungskraft ist.
Die Zeiten da man auf viele Jugendliche hoffen konnte, die sich vom
Kommunismus angezogen fühlten sind lange vorbei.
Nochmal Jungle World 10.1.2013
.......So wichtig es ist, diese Unterdrückung als solche zu
benennen – danach wird es bizarr: »Wir bestreiten, dass
solche menschenverachtenden Ideologien etwas mit den Ideen von Rosa und
Karl zu tun haben«. Wer den Personenkult um Stalin oder Mao
zurückweist, sollte selbst keinen veranstalten: Rosa und Karl
haben es nicht verdient, zu Plüsch verarbeitet zu werden. Die
beiden hatten einfach nie die Chance, aus einer Machtposition heraus
Befehle zu erteilen. Es geht nicht um Unfehlbarkeit. Es geht darum,
sich der Widersprüchlichkeit der Geschichte aller
Arbeiterbewegungen zu stellen. .....
Ein bemerkenswerter Gedanke. Niemand kann wissen, was aus den beiden
geworden wäre, wenn die Geschichte anders verlaufen wäre und sie reale Macht bekommen hätten. Man
muß die Widersprüche in der Geschichte akzeptieren, denn an
der Geschichte sind Menschen beteiligt und keine Maschinen.
Jungle World 17.1.2013
Karls und Rosas Spaziergang
Die jährliche Liebknecht-Luxemburg-Gedenkdemonstration durch Berlin ist wie ein großer, furchtbarer Verkehrsunfall. Man kann den Blick nicht abwenden, auch wenn das, was zu sehen ist, entsetzlich und verstörend ist. Aber wie beim schlimmsten Unfall muss man ja die eigene Schockstarre überwinden, hingehen und alles dafür tun, dass es besser wird. Aus diesem Pflichtgefühl heraus habe ich mich dort jahrelang mit Lenin-, Mao- und Stalinkultisten, Nationalbolschewisten und orthodoxen Antiimperialisten herumgeärgert. Irgendwann musste ich einsehen, dass diese Demonstration wie die dort versammelte Linke ein hoffnungsloser Fall ist. Alle lebenserhaltenden Maßnahmen verbieten sich. Sterbehilfe ist angesagt! An einem besseren Gedenken an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, ohne Stalin- und Honecker-Fans, versuchte sich am vergangenen Sonntag das linke Jugendbündnis »Rosa und Karl«. Doch die gemeinsame Grundlage ist leider nicht der revolutionäre Klassenkampf oder die Feindschaft zu Staat und Kapital, sondern nur die moralische Kritik am Stalinismus.
LL Demo 2013
.......Bereits 24 Jahre später bewahrheiten sich Luxemburgs
Prophezeiungen. Am 1. September 1939 begann mit dem
deutschfaschistischen Überfall auf Polen der II. Weltkrieg und der bis
dahin barbarischste Völkermord aller Zeiten.
Heute gilt es zu verhindern, dass ein noch
grausamerer, die menschliche Zivilisation auslöschender Weltenbrand
entsteht. Wir demonstrieren am 13. Januar 2013 gegen imperialistische
Kriege und alle aggressiven Bestrebungen der EU und der NATO - darunter
besonders die USA und deren willige Helfer. Wir demonstrieren gegen
deutsche Rüstungsexporte, Auslandseinsätze der Bundeswehr und deutsche
Kriegsbeteiligungen. Wir entlarven die sogenannte Responsibility to Protect
als die gemeingefährliche militärische Variante neokolonialistischer
Machenschaften und lehnen jegliche militärische Aktionen gegen Syrien
und den Iran ab. .....
Der Aufruf hats in sich. Ob man sowas ernst nehmen sollte? Genau, gegen den kommenden Weltbrand wirkt der II Weltkrieg eher unbedeutend. Linker Alarmismus, wer schreit am lautesten?