Donnerstag, 17. Januar 2013

LL Demo 2013

Sonntags fanden in Berlin zwei Demonstrationen anstatt der üblichen LL Demo statt. Das war neu und im Vorfeld gab es heftige Auseinandersetzungen, die zumeist online ausgetragen wurden. Die traditionelle Demo wurde von den Mainstreammedien wie gewohnt abgehandelt, die internen Auseinandersetzungen waren weniger das  Thema.
Es begann , das einige Jusos zu einer Alternativdemo aufriefen, der sich dann noch weitere Gruppen anschlossen. Darauf gab es wütende Proteste, ausgerechnet die Jusos? Die Nachkommen der Mörder an Rosa und Karl rufen zu ihrem Gedenken auf? Soll heißen, die gesamte SPD ist für alle Zeiten schuldig gesprochen. Solche Ansichten kamen, nicht unerwartet, aus dem dogmatischten Lager der Linken. Ist die LL Demo bisher eine Veranstaltung gewesen, die allenfalls online einigen Unmut von Einzelpersonen hervorrief oder in der Jungle World etwa einige kritische Zeilen erschienen, diesmal erfasste der Streit weite Teile der Linken und etliche sahen sich gezwungen Stellung zu beziehen. Das Unbehagen über den Stalinistenaufmarsch, der bisher meist satirisch abgehandelt wurde, wurde diesmal Hauptthema.


Junge Welt
Sozis gedenken ihrer Opfer  
Bündnis sozialdemokratischer Organisationen plant »Rosa und Karl«-Demo parallel zur traditionellen Demonstration
Die Betonköpfe aus der Jungen Welt sind nicht gerade begeistert.
In den letzten Wochen sind in der Hauptstadt dunkelblaue Plakate mit den Porträts von Rosa und Karl aufgetaucht. Erst auf den zweiten Blick fällt auf, daß ein Bündnis vorwiegend sozialdemokratischer Organisationen zur Demonstration aufruft: die Jusos, die Falken und die Naturfreundejugend, dazu die Linksjugend-Solid (der parteinahe Jugendverband der Linkspartei) und die DGB-Jugend. Erst auf den dritten Blick wird klar, daß das Plakat für den 13. Januar nicht zum Frankfurter Tor aufruft, wo die traditionelle Demonstration anfängt, sondern zum Olof-Palme-Platz, tief im Westen der Stadt.
Die Sozialdemokraten machen also eine eigene Gedenkdemonstration? Ein Sprecher des Bündnisses behauptete gegenüber jW, eine »emanzipatorische Alternative zur traditionellen LL-Demonstration« veranstalten zu wollen.
In diesem Sinn bestreitet der SPD-Nachwuchs in seinem Aufruf, daß »solche menschenverachtenden Ideologien etwas mit den Ideen von Rosa und Karl zu tun haben«, und nennt den etablierten Marsch deswegen einen »Ausdruck des Scheiterns«.
Verschiedene Antifa-Gruppen, die die Liebknecht-Luxemburg-Demonstration mitorganisieren, schäumten vor Wut im Gespräch mit jW. »Zum Kotzen«, sagt Jonas Schießer von der Antifaschistischen Revolutionären Aktion Berlin über die Initiative der »zukünftigen Sozialabbaukader«. »Puren Zynismus« sieht Ina Laumeyer von der Antifaschistischen Linken Berlin, wenn die »Kinder der Mörder von Rosa und Karl das Erinnern an diese Revolutionäre zu instrumentalisieren versuchen«.

Dafür waren Stalinbilder für diese Gruppen bisher kein Anlass überzuschäumen.

Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht
Neues Deutschland 14.1.13
Rund 10 000 Menschen gedachten am Sonntag in Berlin Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts. Erstmalig gab es zwei Demonstrationen, da die Organisatoren unter anderem die Glorifizierung von Josef Stalin während der traditionellen Demo fürchteten.

.......»Mit unserer Demonstration wollen wir etwas völlig anderes organisieren. Statt bloßer Apologetik geht es uns um die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Ideen und Werten Luxemburgs und Liebknechts«, erklärt Kevin Kühnert, Landesvorsitzender der Berliner Jusos, mit Verweis auf die im Vorfeld stattgefundene Diskussionsreihe. Dass gerade seine Organisation zum Gedenken an Karl und Rosa aufrief, wurde etwa aus dem traditionell autonomen Lager als Hohn aufgefasst. ......

»Ich war noch nie auf der traditionellen, oder wie ich eher sagen würde, autoritär-orthodoxen LL-Demo. Dort tummeln sich seit Jahren gruselige Politsekten, die rein gar nichts mit einer freien und emanzipatorischen Gesellschaft zu tun haben«, erklärt Thomas Marquardt, ein der Naturfreundejugend nahestehender Demonstrationsteilnehmer.

......Auch wenn hier und da neben Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht Mao Tse Tung und Josef Stalin auf der klassischen Gedenkdemonstration zu sehen sind, ist sie weitaus mehr als das. Keine andere regelmäßig stattfindende Demonstration in Deutschland ist so bunt und vielfältig. Junge und alte Menschen sind zu sehen. Vor allem sind viele migrantische Gruppen anwesend:


Soll heißen, ist doch eine Demo aller Linken und wir wollen doch alle zusammenhalten. Zusammenhalten heißt aber kaum den Mund halten.

Die Kommentare verdienen ebenfalls Beachtung:


Knapp 800 auf der Spalter-Demo? Das ist wohl eine sehr wohlwollende Schätzung. Andere Berichte gehen von ca. 300 bis 500 Scheidemännchen aus, die dürften realistischer sein. Na, immerhin war auch Katja Sorglos-Kipping dabei.

Scheidemännchen? Da ist dem Schreiber ja ein origineller Joke gelungen. Die Traditionsdemo hat noch keiner als Stalinmännchen bezeichnet.


Wer ist hier der Spalter? Spalter sind wohl eher nicht die OrganisatorInnen und TeilnehmerInnen der Emanzipatorischen Luxenburg Liebknecht Demo sondern jene die z.B. letztes jahr Stalin und Maokritischen Beiträgen auf der Traditionellen LL Demo mit Gewalt begegnet sind. Ist schon sehr zynisch wenn man Leute erstmal zusammenschlägt und sich dann beschwert das sie ihr eigenes Ding machen.

Klingelt da nicht was? Zitat: "Junge und alte Menschen sind zu sehen. Vor allem sind viele migrantische Gruppen anwesend:  Haha. Spätestens an dieser Stelle sollte man was begreifen. In Berlin gibt es um Vielfaches mehr russischer Migranten als Türken oder Kurden. Und sie sind gut miteinander vernetzt. Schon ganz  zu schweigen, dass sie solche revolutionäre Traditionen haben, die keiner hier hat und dass sie begreifen, worum es geht. Tja, wieso waren waren sie denn nicht da? Ihr dürft drei mal raten. Und euch dabei leise freuen. Denn wenn man die Tatsache berücksichtigt, dass es in Russland kaum eine Familie war, die vom stalinistischen Terror nicht betroffen war... ach, stellt Ihr doch mal vor, nächstes Jahr werden sie vielleicht doch da. Na? (Text etwas im Ausdruck verbessert.)

Die grünen Kommunisten beim Marsch durch die Institutionen
Interessanterweise sind es auch gerade immer wieder jene, die in den 70ern und 80ern unter den Bildern von Mao und Stalin nicht laut genug "REVOLUTION" rufen konnten und heute die angepasstesten Vetreter des bürgerlichen Systems sind, denen Frieden, Arbeitnehmer-Rechte, soziale Gerechtigkeit, nichts mehr bedeuten, wenn sie auch in Worten das Gegenteil behaupten.
Die Mehrheit der Gründer-Elite der Grünen kam z. B. aus den K-Gruppen. Sie verstanden sich alle als aufrechte kämpferische Kommunisten, verstanden sich als Stalins Enkel und Maos Söhne, als Anhänger Enver Hoxhas, wie z. B. Jürgen Trittin (Kommunistischer Bund), Winfried Kretschmann, Ralf Fücks, Krista Sager, Reinhard Bütikofer, Winfried Nachtwei, Joscha Schmierer (alle Kommunistischer Bund Westdeutschlands), Antje Vollmer & Ex-Taz-Redakteur Christian Semler (Umfeld KPD/AO: Liga gegen den Imperialismus ) Semmler war nicht im Umfeld, er war Parteivorsitzender, Heide Rühle (Kommunistischer Arbeiterbund Deutschlands), Volker Ratzmann, Kerstin Müller, Andrea Fischer (Gruppe Internationale Marxisten) und viele andere (Quelle: Wikipedia).
Sie hatten zum größeren Teil Führungsfunktionen in den genannten Parteien inne.
Sie sind es aber auch, die heute den Mitgliedern und Sympathisanten der Partei Die Linke vorwerfen, alte Kommunisten, Stalinisten und Verherrlicher der diktatorischen Regime zu sein.
Wenn sie mit demFinger heute anklagend auf aufrechte Linke zeigen, müssen sie sich bewußt machen, das vier Finger auf sie zurückzeigen.


Dies ist sicher ein interessanter Aspekt, doch für gestandene Dokmatiker kein Anlass nachdenklich zu werden. Denn das waren ja alles Kleinbürger und von denen war noch nie was anderes als Verrat zu erwarten. Das Leben kann ja so einfach sein.

Aus dem Aufruf zur Rosa & Karl  Demo
Nein, nein – das ist nicht der Kommunismus!

In der Vergangenheit sind viele Versuche sozialistische Ideen umzusetzen gescheitert. Nicht nur durch blutige Niederlagen wie die des Spartakusaufstands, sondern auch dadurch, dass ihr fortschrittlicher Gehalt in brutalen Diktaturen und repressiven Systemen ein Ende gefunden hat. Die Namen Stalin, Mao, Ho-Chi-Minh und Honecker stehen stellvertretend für dieses Scheitern.

Das traditionelle Gedenken an Rosa und Karl in Form der LL(L)-Demonstration stellt heute leider einen traurigen Ausdruck dieser Form des Scheiterns dar. Unwidersprochen werden Jahr für Jahr Stalin-Banner geführt, Weisheiten des großen Vorsitzenden Mao Zedongs zitiert und DDR-Fahnen geschwenkt. Kritik wird nicht entgegengenommen, sondern mit körperlicher Gewalt beantwortet. Wir bestreiten, dass solche menschenverachtende Ideologien etwas mit den Ideen von Rosa und Karl zu tun haben und haben die Hoffnung verloren, dass diese Aufstellung des Gedenkens noch von innen reformiert werden kann.

Wenn wir an die Ideen von Rosa und Karl anknüpfen und für ein freies und selbstbestimmtes Leben auf die Straße gehen, so tun wir das als Bündnis emanzipatorischer Jugendverbände und Gruppen. Wir haben die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen, sondern schreiten fragend voran. Wir wehren uns gegen jeden Dogmatismus und die Verherrlichung von Verbrechen begangen von sogenannten Linken und im Namen „der guten und wahren Sache“. Wir wehren uns gegen eine „Freund-Feind“-Logik, denn die Welt in der wir leben ist nicht schwarz- weiß, sondern bunt.

TAZ 18.12.2012
„Zeitgemäßes Gedenken nötig“
Ein linkes Jugendbündnis will im Januar eine eigene Rosa-Luxemburg-Demonstration durchführen. Fabian Weissbarth von den Jusos über die Gründe.

........Was stört Sie an der Demonstration, die seit 1990 von Friedrichshain zu den Gräbern der SozialistInnen zieht?

Ein wichtiger Faktor waren im letzten Jahr tätliche Angriffe gegen GenossInnen. Die hatten mit einem Transparent gegen Stalin- und Mao-Bilder protestiert, die auf der Demo gezeigt wurden. Vonseiten der Demoleitung und den meisten TeilnehmerInnen wurden die GenossInnen nicht unterstützt. Jusos, Falken, Naturfreunde-, DGB-Jugend und Solid sind daraufhin unabhängig voneinander zu der Überzeugung gekommen, dass eine Teilnahme an der traditionellen Demonstration nicht mehr möglich ist.

Hat die Demo denn nicht dazu beigetragen, eine öffentlich wahrnehmbare linke Gedenkkultur zu etablieren?

Wir sprechen vielen TeilnehmerInnen nicht ab, dass es ihnen um ein linkes Gedenken geht. Wir wollen mit unserer Initiative dieses Gedenken weiterentwickeln. Dazu ist aber ein Bruch mit autoritären Sozialismusvorstellungen nötig, wie sie im Zeigen von Stalin- und Mao-Bildern auf der Demo deutlich wird.

Sie haben auch Kritik an dem Demo-Aufruf, der den Syrienkrieg kritisiert und dabei vor allem die USA und Israel angreift. Gehören solche Themen nicht zu einer Ehrung der Antimilitaristen Karl und Rosa?

Wir wollen mit einer klassischen Imperialismusanalyse brechen, die mit ihren Vorstellungen vom Feind USA den komplexen weltpolitischen Vorgängen nicht gerecht wird. Menschen mit friedenspolitischen Anliegen sind aber auf unserer Demonstration selbstverständlich willkommen.

........Teile des Vorbereitungskreises der traditionellen LL-Demo haben Sie als „Kinder Noskes“ tituliert. Noske war maßgeblich an der Niederschlagung der Arbeiteraufstände 1918/1919 beteiligt. Müssen Sie nicht kritisch die eigene sozialdemokratische Geschichte aufarbeiten?

Wir sind uns der Problematik unserer sozialdemokratischen Geschichte bewusst – wozu auch Gustav Noske gehört – und setzen uns damit auseinander. Gerade deswegen rufen wir zur neuen Demo auf. Wir erwarten aber auch von dem anderen Bündnis, dass es sich seinerseits kritisch mit der Geschichte des Staatssozialismus und kommunistischer Kämpfe auseinandersetzt.

Genausogut könnte man die Kommunisten auf der Traditionsdemo als Kinder der Kronstadtmörder und Schauprozeßricher bezeichnen. Is echt ein Kreuz mit der Geschichte.


TAZ 13.1.2013
Getrennt marschieren zur Revolution

Am Sonntag wurde gleich doppelt Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gedacht. Die einen versuchten es ohne Stalin und Mao. Die Massen aber waren bei den Traditionalisten.

Kurz bevor sich der Demonstrationszug in Gang setzt, verteilt das „Rosa und Karl“-Bündnis, wie es sich liebevoll nennt, Pappen in Sprechblasenform. Darauf kann jeder Demonstrant auf dem Olof-Palme-Platz schreiben, was er will. Eine malt ein Anarchie-Zeichen. Ein junger Mann mit rosa Schal schreibt: „Mensch sein ist vor allem die Hauptsache“.
Die Sprechblasen passen zu Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Denn die beiden Revolutionsführer sind ein bisschen wie Wundertüten, in die sich jeder hineinwünscht, was er will. Waren sie nun Feinde oder Freunde der Demokratie? Waren sie Humanisten? Die Auffassungen, wie man ihnen gedenken soll, gehen weit auseinander. So weit, dass es nun neben dem traditionellen Gedenken in Friedrichsfelde eine zweite Demo gibt, für die man sich an diesem Sonntag am Tiergarten versammelt.
......„Die Demo ist moderner und undogmatischer“, sagt Caren Lay, stellvertretende Bundesvorsitzende der Linken, die mit Stalin-Verehrung wenig am Hut hat. Alles, was mit der Verherrlichung von Diktaturen zu tun hat, bleibt draußen. Die Demo wurde bewusst am selben Tag gewählt – damit man sich für eine entscheiden muss.
.........Kann man Luxemburg wirklich fein säuberlich von allem trennen, was mit Diktatur zu tun hat? Das sehen auf der Demo viele anders. Ein paar Falken aus Stuttgart haben ein Plakat dabei, auf dem steht „Diktatur, jawoll!“. Das stamme von Luxemburg, erklären sie. Keineswegs sei sie eine lupenreine Demokratin gewesen – darum sei auch die klare Trennung Quatsch. Auch die Antifa kann mit den Junggewerkschaftern und Sozialdemokraten wenig anfangen. „Revolution kann man nur gegen den Staat machen“, sagt Timon Simons. Auch hier ist man gespalten, wer sie nun war, die Rosa-Wundertüte. Aber zumindest bekommt man nicht gleich auf die Nase.

Auf der Traditionsdemo:
.......Vor dem Friedhofstor steht derweil Anmelder Klaus Meinel. Immer wieder, beteuert er, habe man sich von den Stalin-Fans distanziert. "Aber was sollen wir machen? Hier herrscht eben keine Zensur." Lieber als über "die drei Stalin-Bilder" redet Meinel über die Forderungen der Demo, keine Kriege, keine Armut. "Reale Politik, kein Personenkult." Als Meinel hört, dass die andere Demo nur mehrere hundert Teilnehmer hatte, lächelt er kurz. "Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter", sagt er, und verschwindet zwischen Büchertischen und Bratwurstständen.

Wieviel es auf der Alternativdemo waren ist weniger von Bedeutung, entscheidend ist, das diese überhaupt stattfand.


Tagesspiegel 14.1.2013
Das Treffen auf dem Friedhofsvorplatz, der Gang zum Gedenkstein, das Niederlegen einer roten Nelke – das mag für manchen eine Erinnerung an die DDR sein, für viele andere ist es das große Linken-Treffen Berlins, ein Polit-Hochamt zum Jahresbeginn.
Da kommen die Alten mit strengem Blick über dunkel getönten Brillengläsern im Metallgestell, aber eben auch viele Junge, rote Kapuzenjacken mit Lenins markantem Schädel, Rastalocken-Anarchos, zauselbärtige mutmaßliche Intellektuelle schlendern zwischen den Ständen strammlinker Ideologieproduktion. Die „Junge Welt“ und das „Neue Deutschland“ sind vor Ort.

......Die Kundgebung auf dem gepflasterten Friedhofsvorplatz ist eher in Richtung Zukunft orientiert. Von einer Bühne aus, neben der auf einem Transparent die Köpfe von Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao Tsetung nach links in die Zukunft blicken, werden die Zuhörer agitiert. Ein paar tausend Menschen waren es auch am Mittag noch, die dem Gitarristen und den beiden Sängerinnen vom „Jugendverband Rebell“ lauschten – oder dem gleichermaßen wort- und stimmgewaltigen Frontmann der MLPD, der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands, Stefan Engel.

Eine nicht ganz kleine Gruppe junger Linker geht inzwischen auf Abstand zu einer Gedenkkultur, in der auch für Stalin und Mao Ehrenplätze bereitgehalten werden. Ein Bündnis linker Gruppen hat am Sonntagvormittag zur Separat-Demo aufgerufen – weit entfernt vom Sozialistenfriedhof, nahe bei der Stelle im Landwehrkanal, wo 1919 die Leiche Luxemburgs gefunden worden ist. Auf dem Olof- Palme-Platz an der Budapester Straße in Charlottenburg trafen sich Jusos und junge Linke der Linken-Nachwuchsorganisation „solid“, dazu Gewerkschaftler von Verdi und vom DGB, und auch der Piraten-Abgeordnete Gerwald Claus- Brunner erschien, wie stets mit Palästinenser-Kopftuch und Latzhose.

Ein paar hundert vor allem junge Leute wollten auf diese Weise zeigen, dass es so etwas wie ein neues Nachdenken über die Ikonen der Linken gibt – und darüber, wie es mit dem Sozialismus weitergehen könnte. Vor allem von den Stalinisten und Maoisten, die in den vergangenen Jahren bei der „LL-Demo“ genannten Kundgebung in Lichtenberg zu sehen waren, wolle man sich distanzieren, sagt ein junger Fahnenträger von „solid“. Stalin und Mao, das sei „kein gutes Bild“.

Aus dem Aufruf zur Rosa & Karl  Demo
Nein, nein – das ist nicht der Kommunismus!


In der Vergangenheit sind viele Versuche sozialistische Ideen umzusetzen gescheitert. Nicht nur durch blutige Niederlagen wie die des Spartakusaufstands, sondern auch dadurch, dass ihr fortschrittlicher Gehalt in brutalen Diktaturen und repressiven Systemen ein Ende gefunden hat. Die Namen Stalin, Mao, Ho-Chi-Minh und Honecker stehen stellvertretend für dieses Scheitern.

Das traditionelle Gedenken an Rosa und Karl in Form der LL(L)-Demonstration stellt heute leider einen traurigen Ausdruck dieser Form des Scheiterns dar. Unwidersprochen werden Jahr für Jahr Stalin-Banner geführt, Weisheiten des großen Vorsitzenden Mao Zedongs zitiert und DDR-Fahnen geschwenkt. Kritik wird nicht entgegengenommen, sondern mit körperlicher Gewalt beantwortet. Wir bestreiten, dass solche menschenverachtende Ideologien etwas mit den Ideen von Rosa und Karl zu tun haben und haben die Hoffnung verloren, dass diese Aufstellung des Gedenkens noch von innen reformiert werden kann.

Wenn wir an die Ideen von Rosa und Karl anknüpfen und für ein freies und selbstbestimmtes Leben auf die Straße gehen, so tun wir das als Bündnis emanzipatorischer Jugendverbände und Gruppen. Wir haben die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen, sondern schreiten fragend voran. Wir wehren uns gegen jeden Dogmatismus und die Verherrlichung von Verbrechen begangen von sogenannten Linken und im Namen „der guten und wahren Sache“. Wir wehren uns gegen eine „Freund-Feind“-Logik, denn die Welt in der wir leben ist nicht schwarz- weiß, sondern bunt.

Schau an, in diesen Zeilen sind etliche linke Erkenntnisse zusammengefasst, welche die Linke im Laufe ihrer Zeit (oft genug schmerzhaft) lernen mußte. Nicht bei allen kam dies an, es gibt immer Linke, ddie sich bis heute hinter den alten Parolen und Ikonen verschanzen und nicht loslassen können.

Tagesspiegel 14.1.2013
Das Treffen auf dem Friedhofsvorplatz, der Gang zum Gedenkstein, das Niederlegen einer roten Nelke – das mag für manchen eine Erinnerung an die DDR sein, für viele andere ist es das große Linken-Treffen Berlins, ein Polit-Hochamt zum Jahresbeginn.
Da kommen die Alten mit strengem Blick über dunkel getönten Brillengläsern im Metallgestell, aber eben auch viele Junge, rote Kapuzenjacken mit Lenins markantem Schädel, Rastalocken-Anarchos, zauselbärtige mutmaßliche Intellektuelle schlendern zwischen den Ständen strammlinker Ideologieproduktion. Die „Junge Welt“ und das „Neue Deutschland“ sind vor Ort.

......Die Kundgebung auf dem gepflasterten Friedhofsvorplatz ist eher in Richtung Zukunft orientiert. Von einer Bühne aus, neben der auf einem Transparent die Köpfe von Marx, Engels, Lenin, Stalin und Mao Tsetung nach links in die Zukunft blicken, werden die Zuhörer agitiert. Ein paar tausend Menschen waren es auch am Mittag noch, die dem Gitarristen und den beiden Sängerinnen vom „Jugendverband Rebell“ lauschten – oder dem gleichermaßen wort- und stimmgewaltigen Frontmann der MLPD, der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands, Stefan Engel.

Eine nicht ganz kleine Gruppe junger Linker geht inzwischen auf Abstand zu einer Gedenkkultur, in der auch für Stalin und Mao Ehrenplätze bereitgehalten werden. Ein Bündnis linker Gruppen hat am Sonntagvormittag zur Separat-Demo aufgerufen – weit entfernt vom Sozialistenfriedhof, nahe bei der Stelle im Landwehrkanal, wo 1919 die Leiche Luxemburgs gefunden worden ist. Auf dem Olof- Palme-Platz an der Budapester Straße in Charlottenburg trafen sich Jusos und junge Linke der Linken-Nachwuchsorganisation „solid“, dazu Gewerkschaftler von Verdi und vom DGB, und auch der Piraten-Abgeordnete Gerwald Claus- Brunner erschien, wie stets mit Palästinenser-Kopftuch und Latzhose.

Ein paar hundert vor allem junge Leute wollten auf diese Weise zeigen, dass es so etwas wie ein neues Nachdenken über die Ikonen der Linken gibt – und darüber, wie es mit dem Sozialismus weitergehen könnte. Vor allem von den Stalinisten und Maoisten, die in den vergangenen Jahren bei der „LL-Demo“ genannten Kundgebung in Lichtenberg zu sehen waren, wolle man sich distanzieren, sagt ein junger Fahnenträger von „solid“. Stalin und Mao, das sei „kein gutes Bild“.

Zehntausende für den Sozialismus und das Gedenken an Lenin, Liebknecht und Luxemburg auf der Straße

 
Die RF News der MLPD, erwartungsgemäß die übliche Propaganda.
Gegen antikommunistische Spaltungsversuche eines Bündnisses aus Führern der Jusos, Falken, Naturfreundejugend, DGB-Jugend und Linksjugend Solid waren der REBELL und die MLPD, aber auch viele andere Kräfte für eine gemeinsame überparteiliche LLL-Demonstration eingetreten. Mit anfänglich 40 und zuletzt gerade mal 300 Teilnehmern fiel die Spalterdemo entsprechend kläglich aus.

Möglichst kleinreden, nicht das es auf die Anzahl ankäme.


Die Vorsitzende des REBELL, Lisa Gärtner, sagte: "Kein Zweifel, Rosa Luxemburg würden morgen mit uns, an der Seite der Arbeiterpartei MLPD und der anderen Revolutionäre aus ganz Europa demonstrieren".

Zum Glück muß Rosa das nicht mehr lesen.

Jungle World 10.1.2013
Der traditionelle Aufmarsch vertritt eine autoritäre linke Politik
In der traditionellen Luxemburg-Liebknecht-Demonstration manifestiert sich nur eine autoritäre Vorstellung linker ­Politik und Kultur. Doch dieses Jahr bekommt sie Konkurrenz.
Wenn unisono orthodox-kommunistische Blogs und Zeitungen aufgebracht von »Klassenverrätern« und »Antikommunisten«, »zukünftigen Sozialabbaukadern« und den »Kindern der Mörder von Karl und Rosa« schäumen, dann können die so Gescholtenen grundsätzlich schon einmal nicht alles falsch gemacht haben.
Wer sich hier so verraten fühlt, sind die loyalen Anhänger der Luxemburg-Liebknecht-Demons­tra­tion, denn sie bekommen Konkurrenz.
.........Die LL-Demonstration ist die größte regelmäßige linke Demonstration in Deutschland und steht sinnbildlich für das Konzept einer linken Einheit um jeden Preis und die Aufopferung jeglicher fortschrittlicher Mindeststandards linken Selbstverständnisses zugunsten massenhafter Selbstvergewisserung.
Die LL-Demo ist damit zuallererst der Ort, an dem sich stalinistische, maoistische und marxistisch-leninistische K-Gruppen unwidersprochen als anerkannter Teil linker Bewegung inszenieren dürfen.
.........Wer aber das Gedenken an Rosa und Karl aufgibt und die Demonstration schulterzuckend als traurigen Ausdruck der Verfasstheit der deutschen Linken abtut, ignoriert die Funktion der LL-Demonstration. Für politisch interessierte Jugendliche spielt dieses Gedenken eine nicht unerhebliche Rolle im Identitätsbildungsprozess und schickt seine Teilnehmer auf den Weg in die Welt der orthodoxen Politsekten. Und tatsächlich dürfen auch Medien und Anwohnende Jahr für Jahr beobachten, wie »die Linken« mit der Sowjet­hymne zum Friedhof marschieren. Das LL-Gedenken normiert und normalisiert auf diese Weise eine autoritäre und orthodoxe Vorstellung linker Praxis und Kultur und fesselt die Linke an das ideologische Erbe des Realsozialismus.
Die Hoffnung auf ein Ende dieses Spuks durch das stille Fernbleiben von der Veranstaltung ist illusorisch, und die Versuche einer Rückgewinnung haben sich als aussichtslos und gefährlich herausgestellt. Der Bruch muss krachend sein. Ein Erfolg der »Rosa&Karl«-Demonstration kann der erste Schritt zur Schließung dieses düsteren Kapitels sein.
..........Die Linke ist in den vergangenen Jahrzehnten wie lange nicht mehr einem Wandel unterworfen gewesen, der von einer grundsätzlichen Distanzierung vom Realsozialismus angestoßen wurde und sich in der immer weitergehenden Hinterfragung vermeintlicher linker Gewissheiten fortsetzt. Das »Rosa&Karl«-Bündnis ist nicht zuletzt ein Ausdruck von genau diesen neuen linken Ansätzen und Perspektiven.
Die »Rosa&Karl«-Demonstration ist daher nicht nur wichtig, um Maoisten die Räume zur Selbst­inszenierung zu entziehen oder die Akzeptanz stalinistischer Ideologeme in linken Zusammenhängen anzugreifen, sondern bietet sich auch als Ausgangspunkt an für eine weitergehende Auseinandersetzung mit linker Geschichte, linkem Selbstverständnis und der Transformation der Linken hin zu einer grundsätzlich emanzipatorischen Ausrichtung.

Zumindest die wütenden Reaktionen der Traditionskommis bewiesen, wie hart sich die Dogmatiker auf ihren ureigenen Feld angegriffen fühlen. Sie wissen, wie dünn ihre Überzeugungskraft ist. Die Zeiten da man auf viele Jugendliche hoffen konnte, die sich vom Kommunismus angezogen fühlten sind lange vorbei.

Nochmal Jungle World 10.1.2013

.......So wichtig es ist, diese Unterdrückung als solche zu benennen – danach wird es bizarr: »Wir bestreiten, dass solche menschenverachtenden Ideologien etwas mit den Ideen von Rosa und Karl zu tun haben«. Wer den Personenkult um Stalin oder Mao zurückweist, sollte selbst keinen veranstalten: Rosa und Karl haben es nicht verdient, zu Plüsch verarbeitet zu werden. Die beiden hatten einfach nie die Chance, aus einer Machtposition heraus Befehle zu erteilen. Es geht nicht um Unfehlbarkeit. Es geht darum, sich der Widersprüchlichkeit der Geschichte aller Arbeiterbewegungen zu stellen. .....

Ein bemerkenswerter Gedanke. Niemand kann wissen, was aus den beiden geworden wäre, wenn die Geschichte anders verlaufen wäre und sie reale Macht bekommen hätten. Man muß die Widersprüche in der Geschichte akzeptieren, denn an der Geschichte sind Menschen beteiligt und keine Maschinen.


Jungle World 17.1.2013
Karls und Rosas Spaziergang
Die jährliche Liebknecht-Luxemburg-Gedenkdemonstration durch Berlin ist wie ein großer, furchtbarer Verkehrsunfall. Man kann den Blick nicht abwenden, auch wenn das, was zu sehen ist, entsetzlich und verstörend ist. Aber wie beim schlimmsten Unfall muss man ja die eigene Schockstarre überwinden, hingehen und alles dafür tun, dass es besser wird. Aus diesem Pflichtgefühl heraus habe ich mich dort jahrelang mit Lenin-, Mao- und Stalinkultisten, Nationalbolschewisten und orthodoxen Antiimperialisten herumgeärgert. Irgendwann musste ich einsehen, dass diese Demonstration wie die dort versammelte Linke ein hoffnungsloser Fall ist. Alle lebenserhaltenden Maßnahmen verbieten sich. Sterbehilfe ist angesagt! An einem besseren Gedenken an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, ohne Stalin- und Honecker-Fans, versuchte sich am vergangenen Sonntag das linke Jugendbündnis »Rosa und Karl«. Doch die gemeinsame Grundlage ist leider nicht der revolutionäre Klassenkampf oder die Feindschaft zu Staat und Kapital, sondern nur die moralische Kritik am Stalinismus.


LL Demo 2013
.......Bereits 24 Jahre später bewahrheiten sich Luxemburgs Prophezeiungen. Am 1. September 1939 begann mit dem deutschfaschistischen Überfall auf Polen der II. Weltkrieg und der bis dahin barbarischste Völkermord aller Zeiten.

Heute gilt es zu verhindern, dass ein noch grausamerer, die menschliche Zivilisation auslöschender Weltenbrand entsteht. Wir demonstrieren am 13. Januar 2013 gegen imperialistische Kriege und alle aggressiven Bestrebungen der EU und der NATO - darunter besonders die USA und deren willige Helfer. Wir demonstrieren gegen deutsche Rüstungsexporte, Auslandseinsätze der Bundeswehr und deutsche Kriegsbeteiligungen. Wir entlarven die sogenannte Responsibility to Protect als die gemeingefährliche militärische Variante neokolonialistischer Machenschaften und lehnen jegliche militärische Aktionen gegen Syrien und den Iran ab. .....

Der Aufruf hats in sich. Ob man sowas ernst nehmen sollte? Genau, gegen den kommenden Weltbrand wirkt der II Weltkrieg eher unbedeutend. Linker Alarmismus, wer schreit am lautesten?