Mittwoch, 17. Oktober 2012

Linke Geschichte

In der trotzkistischen Scharf Links vom 27.11.11 befasst sich ein Text mit der Vereinigungsdebatte von BWK, GIM, KPD von 86. Eine ziemlich vergessene Geschichte, die seinerzeit zur Vereinigung von GIM und KPD/ML zur VSP führte. Was in den 70gern noch undenkbar erschienen wäre, war dann 86 nicht mehr als eine wenig beachtete Meldung. Diese Welt erschien den ehemals Beteiligten bereits wie ein schlechter Traum. Und an dieser Debatte beteiligte sich wohl auch nur noch der übrig gebliebene Rest. Dafür ist diese Geschichte den Trotzkisten der Scharf Links sogar noch 11 eine Aufarbeitung wert, aber was für eine.
Eines der greifbaren Resultate dieses Prozesses ist die anstehende Fusion von GIM und KPD. Man rieb sich die Augen: Die KPD, die 1975 noch als KPD/ML mit ihrem Namensvetter KPD ihren „Argumenten“ gegen den Trotzkismus mit Eisenstangen und Ketten Nachdruck verliehen hatte, sucht heute den organisatorischen Zusammenschluß mit Sachwaltern „des Blocks der Rechten und Trotzkisten gegen die Diktatur des Proletariats".
So stehts zu lesen. In der Tat, man rieb sich die Augen vor Verwunderung. Aber wer? Das konnte nur, wer entsprechendes Vorwissen mitbrachte und gerade diese Infos in die Finger bekam. Nicht jeder las noch linke Kleinblätter und vom Internet war man noch weit entfernt. Zudem, nur noch eine Minderheit interessierte sich überhaupt noch für derartigen Unfug, den Alternativen und Autonomen, die zu der Zeit die politische Landschaft bevölkerten, waren solche Debatten entweder recht fremd und unverständlich oder sie hielten das Zeug zurecht für Zeitverschwendung.
Und wie liest sich die Aufarbeitung dieser bedeutenden Phase der Geschichte der Arbeiterbewegung, in der Weichen für die Zukunft gestellt wurden? ;-))
"Sozialdemokratie und Stalinismus sind Zwillingsbrüder, bürgerliche Strömungen innerhalb der Arbeiterbewegung, mit gravierenden, aber keineswegs qualitativen Unterschieden. Das Infragestellen der ultralinken und demokratischen maoistischen Schalen ist deshalb nur dann sinnvoll, wenn zum Kern des stalinistischen Reformismus vorgedrungen wird, in deren Tradition die ex-maoistischen Gruppierungen stehen. Der Bruch mit jedwedem Reformismus ist die Voraussetzung — wenn auch nicht Garantie — für eine revolutionäre Politik in der Zukunft."
Schau an, der Stalinismus war nur eine bürgerliche Strömung. Trotzki hätte das nie zugelassen, wenn man nur auf ihm gehört hätte? Alles nur eine bürgerliche Strömung? Lagerhaltung, Säuberung, Schauprozesse, Massenerschießung....und, und, und. Hätte alles nicht sein müssen, wenn man nur den Reformismus erfolgreicher bekämpft hätte?
Unfug, darum geht es doch gar nicht. Die Kritik an Stalin richtet sich gar nicht gegen die Mordaktionen, nur dagegen, das Stalin von der  reinen Lehre abwich und die Theorien nicht 1:1 umsetzte. Trotzkisten kritisieren Stalins Terror nur insoweit es Trotzkisten traf, der Rest der Menschen die dran glauben mußten, ist ihnen gleichgültig. Ideologie interessiert sich eben nicht für Menschen.
Was wir hier vorliegen haben, ist nichts weiter als die alte Geschichte vom Verrat an der reinen Lehre. Wenn man den Reformismus beseitigt, nur dann gelingen Revolution und Kommunismus. Jeder übriggebliebene reformistische Virus zersetzt mit der Zeit das große Werk und dann kommt eben Stalinismus, Revisionismus, Syndikalismus, Utopie, Anarchie, Autonomie, Ökologie, Kleinbürgertum, Großbürgertum, Mittelbürgertum, Bildungsbürgertum, Prekärbürgertum, Proletarierbürgertum und all das bei raus, was jeden linientreuen Kommunisten an der Realität verzweifeln lässt. So gibt es selbst heute noch Altkommunisten, die mit dieser Reformismusthese den Zusammenbruch des Ostblocks erklären. In ihren Weltbild ist eben nur Platz für die Verratsthese. Die Komplexität einer Gesellschaft ist etwas, das ihr Weltbild überfordert, auch dogmatische Kommunisten sind eben Meister in der Kreation einfacher Erklärungen von der Sorte, Gut/Böse.
Wie man sieht, auch aktuell gibt es noch Geschichtsaufarbeitungen, an denen alle Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte spurlos vorübergegangen sind. Für diese Zeilen zeichnet eine Gruppe verantwortlich, man fragt sich was für eine? Offensichtlich sind sie im Jahr 86 stehengeblieben und meinen, Internet ist Teufelswerk, nur dazu da, die Massen vom Klassenkampf abzulenken. Wie sie es trotzdem geschafft haben, diese Zeilen online zu stellen?
Oder so. Mit den Fingern auf den Tasten des Jahres 2012, mit dem Kopf im Jahr 1975 stehengeblieben.
PS: Scharf Links ist Bestandteil der Partei die Linke, jedenfalls nahestehend und Trotzkisten mit diesem Weltbild bilden einen Teil der Linken. Hilfreich sich daran zu erinnern, das es nach wie vor etliche mit einen angestaubten Weltbild gibt, das von keiner Realität zu erschüttern ist.