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Montag, 17. September 2012

Texte zum Thema

Glaubenslehre

Das System des Kommunismus ist nun zwar etwas in die Jahre gekommen, doch ausgehend von Marx Engels, ist das Gespenst noch vergleichsweise jung, zumindest verglichen mit theologischen Glaubensrichtungen die weitaus mehr Jahre zu bieten haben. Doch nicht mal 150 Jahre genügten um ein geistiges Fundament zu schaffen, das mit jeder Religion mithalten kann. Betrachtet man das Kapital als das Basiswerk, dann bauen sich darauf weitere Schriften auf, wie Lenin, Stalin und Mao deren Autorität unterschiedlich zu werten ist und eine Vielzahl von Glaubensrichtungen als Basiswerke dienen, nicht zu vergessen der gute Trotzki, dessen Schriften eine eigene Glaubenslehre begründet haben.
Seit dem Kapital entstanden etliche Schriften die wie in der Religion als Erneuerung, Abweichung, Verrat, Spaltung, Modernisierung oder gleich als Teufelswerk verstanden wurden. Na das ist doch eine reife Leistung, da braucht sich kein Kommunist hinter der Kirche zu verstecken.
Was Kirchenspaltung angeht, das hat der Kommunismus ebenfalls hervorragend hinbekommen. Die Abspaltung der Kommiwelt in den Teil der russischen und der chinesischen Lehre hatte durchaus die Qualität der Kirchenspaltung in Ost und Westrom.
Man könnte den Anarchismus als erste Abspaltung betrachten, die tatsächlich bedeutsame Spaltung fand 1918 statt, als in Folge des Krieges, die Sozialdemokratie auseinanderbrach. Seither gibt es Sozis und Kommis, die sich auch wieder spalteten und neue Richtungen produzierten, die mit jeder Glaubenslehre problemlos mithalten können, na wenigstens darauf könnte man doch stolz sein. Könnte, keine Glaubensgemeinschaft ist auf Abweichler und Spalter stolz, man möchte die Hammelherde schließlich zusammenhalten.
Wer sich die Mühe macht das alles zu lesen, der hat eben so viel Arbeit wie jemand der die Geschichte einer Religion über die Jahrhunderte hinweg erforscht. All die Schriften und Auseinandersetzungen um Glaubensfragen und um Fragen die außerhalb der eigenen Welt kaum etwas bedeuten. Das haben wir ebenso im Kommunismus. Waren ja etliche Denker dran beteiligt, oder soll man meinen, die Arbeiterklasse hätte sich soviel Gedanken gemacht? Wozu auch? Man wollt mehr Geld und was zu saufen und war happy. Sollen sich die Nerds doch die Finger wundschreiben. Und das taten sie auch und hinterließen einiges an Papier das hinterher von der Partei mit entsprechenden Verboten belegt werden mußte. Je nachdem, einiges galt als harmlos, anderes dagegen als Sprengstoff, möglichst sicher wegschließen.
Ist in jeder Glaubensgemeinschaft so, die Glaubenswächter bestimmen, was die Novizen zu lesen bekommen und was das gemeine Volk angeht, die wollen wir erst gar nicht mit Gedanken beunruhigen, die sicher zu hoch für gläubige Gemüter sind, die schließlich glauben und die Klappe halten sollen. Bei den Kommis, hauptsach sie haben die Parolen auswendig gelernt, der Rest ist ohnehin zu hoch für den Proleten.
Eigentlich ist dieses Spezialistenwissen etwas angestaubt und nachdem sich die 68er darauf gestürzt hatten und die Geschichte 1:1 kopierten, ist das alles etwas in Vergessenheit geraten. Nur wenigen bedeuten die Auseinandersetzungen der 20iger Jahre noch so viel wie den Parteiaufbauern der 70iger, denen der Streit in der KPD zwischen Versöhnlern, Linkssektierern und Rechten realer war, als ihre Gegenwart. Nach dem Verschwinden der K Gruppenwelt verschwand auch das Interesse an diesen Geschichten.
Bis es auf einmal wieder im Internet auftaucht und auf diversen Seiten und Foren geht es in aller Frische wieder um Geschichten und Namen, die kein normaler Mensch noch kennt. Da braucht man schon etwas Basiswissen, um überhaupt zu verstehen, was das alles soll, worum es da geht. Lässt sich nicht vermeiden, wenn einige Nachzügler glauben, mal wieder die Schlachten der Vergangenheit neu ausfechten zu müssen.
Der Nachteil, wer sich nur mit der Vergangenheit befasst, bleibt da auch stehen und ist kaum fähig Ideen für die Gegenwart zu entwickeln. Wer eine neue Runde im Kampf Trotzki gegen Stalin einläutet, sollte sich nach dem Sinn fragen.  Nach seiner Ansicht hätte sich besser Trotzki im Machtkampf durchgesetzt? Hat er zwar nicht, dafür hat sich diese Frage in der heutigen GUS und was noch von der SU übrig geblieben ist, dahingehend erledigt, das in Osteuropa in den nächsten fünfzig Jahren weder Trotzki noch Stalin zur Debatte stehen dürften.
Glaubenswerke kümmern sich eben nicht darum, ob die Zeit nicht etwas über sie hinweg gegangen ist. Daher leben Gläubige geistig auch in der Vergangenheit. Zumindest in der Vergangenheit ihrer heiligen Schriften, die eben die Zeit reflektieren, in der sie entstanden sind.
Zu klären wäre hier, warum es überhaupt Gläubige und Glaubenslehren in einer geistigen Welt gibt, die sich ja genau entgegengesetzt zum Glauben und zur Religion positionierte, die sich Aufklärung und Vernunft auf die Fahnen schrieb und vor allem der Wissenschaft folgte bzw, sich schließlich selbst zur wissenschaftlichen Lehre erklärte. Nun auch in der Welt der Wissenschaft geht es oft um Glaube und wenn man Glaube mit Vertrauen übersetzt, man muß eben das glauben, was man nicht versteht. Dies ist in der Welt des Sozialismus vergleichbar. Wer die intellektuelle Basis nicht versteht, dem bleiben zwei Wege. Gläubig den Parolen der Partei zu folgen und der Partei zu vertrauen, egal was sie gerade wieder für einen Unfug beschlossen hat, oder den alternativen Weg zu gehen und die Theorie abzuklopfen, ob sie nicht etwas zu abgehoben ist und die Verständnisprobleme nicht auch daher kommen, das politisch handelnde Menschen das was sie tun sollen, auch begreifen müssen. Diese Richtung nannte man mal Theoriefeindschaft, allerdings war es nicht einfach die Ablehnung von Theorien, sondern die Ablehnung von abgehobenen Systemtheorien, in denen die Menschen nicht mehr existieren.
Bzw. auch die Parteitheorien, in denen die Menschen herausgekürzt wurden, in denen Menschen nur noch als Abstraktionen erscheinen, die eine historische Mission zu erfüllen haben, in denen Menschen auf funktionierende Zahnräder reduziert sind und als Einzelpersonen die Interesse an ihren Leben haben nicht mehr existent sind. Nicht verwunderlich, wenn auf der Basis solcher Theorien die Menschen bei Bedarf als Volksfeinde, Klassenfeinde oder Revisionisten erscheinen, deren Vernichtung sich dann so darstellt, als würde man ein verstaubtes Zimmer mal richtig ausfegen. Wenn Menschen nur noch als Dreck wahrgenommen werden, dann macht man sich auch keine Gedanken, wenn wieder mal soundsoviele verschwinden, deportiert werden oder sonstwie geopfert werden. Der Gläubige ist bereit daran zu glauben, das alles für den Fortschritt und der Revolution notwendig ist und die Partei muß ja wissen was sie tut.
Dazu genügt es sich die Geschichte der KPD anzusehen. Man kommt zu der Ansicht, diese Partei wußte all die Jahre selber nicht, was sie eigentlich tat und daher übernahm am Ende auch freundlicherweise Stalin die Entscheidung. Etwa die SPD als Sozialfaschisten zu bekämpfen und wenn es nützlich schien, auch mit den Nazis zusammenzuarbeiten. Wohin das 33 führte ist bekannt.
Das war echt eine harte Zeit für die Gläubigen und wer mit Glaube und Anpassung die Zeit überstand, der durfte sich doch noch als Sieger fühlen. Zwar mit etwas Nachhilfe der Alliierten und der roten Armee, dafür in Ostdeutschland und Osteuropa die Macht. Dummerweise war das in keinen Theoriewerk so vorgesehen. Nun linke Theorien sind keine Zukunftsvoraussagen oder wenn, dann von so lausiger Qualität, man sollte ihren Vorhersagen besser nicht sein Leben anvertrauen.
Was den Kommunismus angeht, so hat es sich für viele ausgeglaubt. Kann sein, dafür zeigt sich, das der neue Glaube an Demokratie und Markt, der alle Bedürfnisse der Menschen wie von unsichtbarer Hand gesteuert regelt und zufriedenstellt, auch nur Ideologie ist. Zu dem Zweck erfunden, damit sich eine Minderheit den Bauch vollschlagen kann. Wir sind mit der Geschichte also noch nicht durch und ein gescheiterter Versuch heißt nicht, das Menschen aufhören werden, an alternativen Möglichkeiten zu glauben. Mit neuer Technik und neuen Spielzeugen, die sie selbst produziert haben, lassen sich die Menschen erstmal ruhigstellen, da sind sie zunächst beschäftigt. Die Spielzeuge können aber auch zweckentfremdet werden und unbeabsichtigte Wirkungen erzeugen.
Wozu diese Anmerkung? Wer die Geschichte des Kommunismus kritisch betrachtet muß seine Absichten offenlegen, um sich von denen abzugrenzen denen es um die endgültige Zementierung des Kapitalismus geht. Daher sollte die Absicht herausgestellt werden, es kann nicht darum gehen, nur weil ein Versuch gescheitert ist, zu glauben, es wird keine weiteren Versuche geben oder man müsse sie mit allen Mitteln verhindern.
Der nächste Versuch kann schneller eintreten als man glaubt und niemand kann vorhersagen, wie er enden wird.
Was die rechten Kritiker der katastrophalen Geschichte des Kommunismus erreichen wollen, es gibt keine Alternative zum globalen Märkteterror und Sozialabbau. Zwar es fehlt ihnen an überzeugenden Argumenten, wenn der Kapitalismus selbst die besten Argumente liefert, das es  für den Versuch des Kommunismus handfeste Gründe gab und nach wie vor gibt.
Es geht aber noch schlimmer. Wie verhindert man Widerstand gegen die Zumutungen der selbsternannten Sieger der Geschichte?  Mit einer Neuauflage einer versteinerten Theorie und der Neuauflage einer gescheiterten Ideologie plus der autoritär strukturierten Partei. Wer nach wie vor Zeit und Energie verfeuert um solche Vereine neu aufleben zu lassen, verhindert Widerstandsformen die den heutigen Bedingungen entsprechen und für die es zwar weder Vorlagen noch Erfolgsgarantien geben kann. Traditionelle Formen der Parteipolitik können hier nur im Sektierertum enden, dafür können sie jeden alternativen Versuch als kleinbürgerlich denunzieren, das wird ihnen auch nicht weiterhelfen.