Die Oktoberrevolution gilt auch hier übergreifend
den Linken als der Urknall. Endlich wurde die Theorie real, an die schon Marx
nicht mehr geglaubt hatte. Er dachte am Ende, die Zeit der Revolutionen ist
vorbei. Und da hatte er nicht so Unrecht. Denn ohne den ersten Weltkrieg hätte
es keine erfolgreiche Revolution gegeben. Ist nicht so bekannt. Warum? Die
Oktoberrevolution ist seither mit Mythen und Legenden zugestellt so daß die
Fakten nur noch mühsam von der Fiktion zu unterscheiden sind.
Und das ist der Punkt. Oder wird es mal wieder
dieses Jahr werden. Über die Oktoberrevolution hat noch heute jeder seine
eigene Wahrheit. Und die werden wir im
Netz lesen dürfen. Die Dogmatischen und Traditionslinken werden die
Oktoberrevolution auf bekannte Art abfeiern. Kritische Auseinandersetzung
sollte man weniger erwarten. Diese Gruppen werden grad mal die altbekannten
Propagandabilder aus dem Keller holen und das bekannte Bild einer erfolgreichen
Revolution und eines erfolgreichen Aufbaus des Sozialismus vorführen. So sieht
es die Traditionslinke noch heute gern. Es gibt andere Sichtweisen und
Ansichten zum Thema, die von den Dogmatikern gerne verschwiegen werden. Sie
passen nicht so ins heroische Selbstbild. Sie stören das Bild der Revolution,
an das Linke gerne glauben wollen, je irrealer die Wiederholung in Europa
erscheint. Der erste Anlass wird die LL Demo in Berlin,
hier versammeln sie sich und können bereits jetzt den Jahrestag abfeiern. Im
Oktober bzw. November, da es ja durch den russischen Kalender zu einer
Verschiebung kam, darf wirklich abgefeiert werden. Die Frage stellt sich nur,
was feiern wir?
Eine Revolution, in der die revolutionäre Theorie
materiell wurde? Eben nicht. Gerade die Oktoberrevolution stellte sich etwas
anders da als von der Theorie vorgesehen und das war sie ja gar nicht. Im
unterentwickelten Russland hätte sie gar nicht stattfinden dürfen. Jedenfalls
nach der dogmatischen Lehre. Die Revolution war erfolgreich, weil nach dem
Zusammenbruch der Front ein Machtvakuum entstand. Sie war bereits vorbei und der
Zar entmachtet, als Lenin putschte und dies Revolution nannte. Und von der
revolutionären Partei war vorher auch nicht so viel zu sehen gewesen. Lenin hatte also nur
noch abgeräumt. Trotzdem hat die Oktoberrevolution einiges verändert und setzte
einigen Idealismus frei. Der dann freilich hart abgewürgt wurde. Lenin war ja
nicht allein beteiligt. Trotzki war auch noch da und genau den werden die
verbleibenden Trotzkistengruppen abfeiern und ihn die zustehende Würdigung
verschaffen. Da haben sie eine nette Aufgabe gefunden. Sicher wurde Trotzkis
Beitrag hinterher verschwiegen und sein Bild im Wortsinne ausradiert und wenn
die Trotzkisten nun an seinen Denkmal bauen, dann verschweigen sie gern seinen
späteren Beitrag, aus dem sozialistischen Experiment eine autoritäre
Parteidiktatur zu machen. Die Diktatur gab es bereits, danach ging es nur
darum, wer bekommt den Job. Stalin war eben erfolgreicher und so begann für die
Trotzkisten das Unglück ab diesen Zeitpunkt. Für die Marxisten/Leninisten
freilich erst mit dem XX. Parteitag. Bleiben noch die Anarchisten, die in ihren
Seiten auf Kronstadt verweisen können und auf deren Beitrag zur Revolution. So
schafft sich jeder seine eigene Oktoberrevolution.
Doch nun zur Gegenwart. Aus der Oktoberrevolution
wurde längst ein Staatsmythos und auf die wird man auch heute nicht verzichten
wollen. Das daraus schlußendlich ein autoritär regierter Staat wurde, der
derzeit mit Kleinkriegen und Annektion nach Weltmachtgröße strebt und ansonsten
mit der alten Ideologie nichts mehr zu tun hat, nun das ist eben der Lauf
gescheiterter Versuche das Paradies auf die Erde zu holen.
Für die Dogmatiker ist die Geschichte eine klare
Sache. Sie wissen was passiert ist und vor allem, wer schuld ist. Wenn es die
Entstalinisierung nicht gegeben hätte! Wenn der Kampf gegen den Revisionismus
nur …..! Wenn Lenin nicht ökonomisch zurückgewichen wäre ….! Wenn, wenn, wenn!
Sie kennen alle Fehler die gemacht wurden und nur deswegen scheiterte der
Sozialismus. Wer den Unsinn glauben will, darf ihre Seiten besuchen und sich
das reinpfeifen. Die Realität ist freilich immer etwas schwerer und selten kann
man einen Schuldigen herausdeuten.
Nicht die Oktoberrevolution ist das Problem. Eher
die praktische Umsetzung ihrer Absichten zu einer Parteidiktatur die das Land
nur mit Zwang und Gewalt zusammenhalten konnte. Sowas ist eben nicht von Dauer.
Irgendwann verlieren die Menschen den Glauben und vor allem ihre Angst und dann
kracht der Laden eben zusammen. Erstaunlich ist eher, daß er siebzig Jahre
gehalten hat.
Es zieht sich durch die Geschichte der nach 68er
Linke. Die Oktoberrevolution als Projektion und Wunschbild. Und die war über
weite Strecken für etliche Linke realer als ihre aktuelle Realität. Mit dem
Ende und Niedergang der ML Gruppen und des ML Dogmatismus verschwand die
Bedeutung aus dem Alltag und der Diskussion. Dieses Jahr wird sie online
abgefeiert werden und eine Anmerkung wäre noch zu machen.
Eine seltene Chance zu beweisen, daß der
Sozialismus die bessere Alternative darstellt und machbar ist, wurde vertan.
Digitale Denkmäler werden daran wenig ändern.